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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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Servietten, Salz- und Zuckertütchen befanden, war genauso klinisch aufgeräumt. Nirgendwo im Raum gab es Schränke, Ecken oder andere geheimnisvolle Stellen, an denen man etwas verstecken konnte, nicht einmal ein Bällebad hatten sie, nur einen Clown, der in einer kanariengelben Hose Ballons verteilte. Wenn man zur Toilette wollte, musste man erst an der Kasse um den Schlüssel bitten. Nein, Mandy’s war nicht der Ort, an dem ich mein Notizbuch ruhigen Gewissens hinterlassen konnte.
    Die Weißkittelfrau – die mit dem Pferdeschwanz und einer Vorliebe fürs Bowlen – schlug vor, anschließend zu Rocky’s zu gehen. Ich ließ mich gern überreden. Rocky’s war alles andere als klinisch und hatte verschiedene Räume, was meine Chancen, ein geeignetes Versteck zu finden, vergrößerte. Es gab eine Halle mit einem Empfangstresen, einen Saal mit verschiedenen Bowlingbahnen und dahinter einen Kneipenbereich. Die Decke dort war kaum zu erkennen, weil sie voll spiegelnder Diskokugeln und silberner Girlanden hing.
    Wir liehen Schuhe am Tresen und warteten danach an der kreisförmigen Bar, bis wir an der Reihe waren. Die Barhocker hatten ihre beste Zeit bereits hinter sich – aus dem roten Kunstleder quoll gelber Kunststoff. Während die Weißkittel an ihren Drinks nippten, sah ich mich möglichst unauffällig um. Wo konnte ich das Notizbuch und den Stick lassen? Es musste ein Ort sein, der nicht sofort auffiel, aber er durfte auch nicht so unsichtbar sein, dass ich ihn nie wiederfinden würde.
    Der weibliche Weißkittel hatte Radaraugen. »Ist was?«, fragte sie.
    Wenn ich so weitermachte, verriet ich mich noch.
    »Der Hamburger ist mir nicht so gut bekommen«, antwortete ich. »Muss mal zur Toilette.«
    Dort konnte ich in Ruhe nachdenken.
    Der männliche Weißkittel stand leicht verärgert auf. »Dann beeil dich aber.«
    Das Licht in der Empfangshalle blendete. Wir kamen an Schließfächern vorbei, die von Stammkunden gemietet wurden, um ihre Bowlingsachen darin aufzubewahren. Fanatiker und Profis, die sich eigene Bowlingschuhe und manchmal auch eine eigene Kugel angeschafft hatten, diese aber nicht immer mit nach Hause schleppen wollten. Am Tresen legte ein kahl werdender Mann ein Schlüsselchen ab. »Bis in einem Monat«, sagte er zu dem Mädchen, das an diesem Abend aushalf.
    »Wir werden gut auf Ihre Sachen aufpassen.« Sie lachte und zeigte dabei viel Zahnfleisch. »Viel Spaß in Italien.«
    »Danke, Lulu. Das wird sicher kein Problem sein.« Der Mann verschwand.
    Ich spähte zu dem Schlüsselchen hinüber wie eine Elster auf einen Diamanten. Nummer einunddreißig. Wenn mich dieser blöde Weißkittel doch nur allein zur Toilette gehen ließe. Solange er mir im Nacken saß, konnte ich es wohl vergessen. Er folgte mir bis in den WC-Raum. Heute ließ ich die Urinale links liegen und nahm eine normale Toilette.
    »Warte.« Der Weißkittel überprüfte den Raum auf Fluchtmöglichkeiten.
    Die waren absolut nicht vorhanden, es gab nicht einmal ein winziges Fenster.
    Er nickte. »Okay.«
    Ich ging allein hinein. Das einzig mögliche Versteck war der Spülkasten, aber dann brauchte ich eine Plastiktüte und Klebeband, um die Tüte wasserdicht zu verschließen. Ein abgesoffenes Notizbuch mit ausgelaufener Tinte war unlesbar. Ganz zu schweigen von zerstörten USB-Sticks. Nein, diese ganze Toilette taugte nichts. Außerdem steckte mir die Nummer einunddreißig wie ein Nagel im Kopf und überschattete alle anderen Möglichkeiten. Es wäre geradezu perfekt: Der Eigentümer blieb einen Monat weg, was mir ausreichend Zeit und Gelegenheit gäbe, das Notizbuch wiederzufinden, bevor er wieder an sein Schließfach musste. Sollte es mir aus irgendeinem Grund doch nicht gelingen, hatte ich immer noch die Gewissheit, dass der Mann die Sachen finden würde, wenn er aus Italien zurückkam. Und vielleicht noch das Schönste von allem: Wenn die Weißkittel mein Gedächtnis löschen würden, hätte ich doch noch einen Anhaltspunkt. Das Schlüsselchen! Klein und fein und viel leichter zu verstecken als ein Notizbuch. Fiele es in die falschen Hände, müssten die Weißkittel erst noch herausfinden, zu welchem Schloss es gehörte.
    »Wo bleibst du?«, fragte der Weißkittel. »Wir sind schon seit drei Minuten dran.«
    »Entschuldigung, Krämpfe.« Ich gab ein paar unappetitliche Geräusche von mir, spülte und öffnete die Tür.
    »Das geht alles von unserer Zeit ab.« Er ging eilig vor mir raus, am Tresen vorbei.
    Ich konnte es fast nicht

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