Bradshaw Gillian - Artus 02
begann mir zu überlegen, wie wir Bran hintergehen konnten. Viele Möglichkeiten fielen mir ein. Und dann, eines Tages, sah ich sie in einem Gang im Palast. Sie war allein. Ohne nachzudenken, packte ich ihr Handgelenk. ›Ich reite morgen nach dem Mittagmahl in Herfydds Wald‹, flüsterte ich ihr ganz leise ins Ohr. Dann ließ ich sie los und ging weiter, und ich spürte ihre Blicke auf mir, bei jedem Schritt. Nachher habe ich mich dafür verflucht, daß ich das gesagt hatte, und ich entschloß mich, am nächsten Tag nicht in den Wald zu reiten. Aber ich ritt. Eine Stunde oder so verbrachte ich damit, allein umherzureiten, und dann wendete ich verärgert mein Pferd – ich traf sie am Waldrand. Sie hatte nur einen Diener bei sich, einen alten Mann, dem ein halbes Ohr fehlte und dessen Blicke großen Widerwillen ausdrückten.
Ich sprang von meinem Pferd und rannte hinüber, ich ergriff die Zügel ihrer Stute. ›Du bist gekommen‹, sagte ich, es war alles, was ich sagen konnte. Sie schaute ernst zu mir hinab und nickte, dann ließ sie die Zügel los, löste einen Fuß aus dem Steigbügel und sprang von ihrem Pferd. Ich fing sie mitten im Sprung. Der Wind berührte ihr Haar, aber ihre Augen waren still, stiller als der Himmel und die Tiefe. Ich hatte das Gefühl, als ob die Kraft, die das Leben selbst antreibt, uns berührt hätte, als ob wir zwischen Himmel und Erde ständen. Ich konnte ihren Pulsschlag spüren, als ich sie hielt, er flatterte wie das Herz einer wilden Schwalbe. Das Wunder des Gefühls erfüllte mich, und ein großes Staunen. Wir standen da und schauten einander an, und es war, als ob wir in ein Meer voller Licht hineinschauten, in ein Feuer, das hinter der Tiefe der Welt brennt, oder als ob wir einander durch die verschwommenen Schleier irgendeiner Vision anstarrten. Aber sie war da, in meinen Armen, eine schmale, kräftige Gestalt mit ernsten blauen Augen und glattem, blondem Haar. ›Du bist gekommen‹, sagte ich noch einmal und küßte sie.
›Ja‹, sagte sie, ›ich bin gekommen‹. Sie wandte sich zu dem Diener um und sagte: ›Hywel, könntest du hierbleiben und die Pferde hüten?‹
Der alte Mann nickte unglücklich, und wir gingen zusammen weg, hinein in das grüne Schweigen des Waldes.«
Gawain verstummte, er saß da und stützte den Kopf auf die Arme, er beugte sich nach vorn und starrte auf das Feuer im Herd, das schon niedergebrannt war. Mein Vater zeigte keine Bewegung, sein Schnitzmesser war eine ruhige, leuchtende Linie in seiner Hand. Nur der Wind machte noch immer sein hohles Geräusch im Strohdach.
Morfudd rührte sich zuerst. »Ich glaube, so etwas ist wunderschön«, sagte sie träumerisch. »Wunderschön.«
Gawain richtete sich abrupt auf und warf ihr einen wilden, dunklen Blick zu. »Wunderschön! Ach, König des Himmels, ist das schön? Weib, es war etwas sehr Schreckliches.«
»Du hast sie wohl sehr geliebt«, sagte meine Mutter nüchtern und begann wieder zu nähen. »Und es sieht so aus, als ob sie dich auch liebte. Ihr wart beide jung. So etwas ist schon schrecklich genug.«
»Es war schlimm, daß ich sie liebte«, erwiderte Gawain bitter. »Und um so schlimmer, weil sie mich auch liebte. Aber ich, was habe ich denn geliebt? Ein schönes Gefühl! Lieber Gott, es war mir gleichgültig, ob sie dabei zugrunde ging, und wenn es herauskam, dann wäre das der Fall gewesen. Ich nutzte meinen Vorteil als Gast in Brans Haus aus, ich betrog das Vertrauen meines Herrn, ich betrog sie, und ich betrog sogar meine eigene Ehre. Ich habe die Schwester eines Königs wie eine ganz gewöhnliche Hure behandelt, und es war um so schlimmer, weil sie mich liebte. Danach, nach jenem ersten Mal, hat sie geweint. Sie wollte mir nicht sagen, warum. Das tat sie erst sehr viel später, und da sagte sie: ›Ich habe geweint, weil ich wußte, ich liebte dich soviel mehr, als du mich liebtest. Und es war auch wegen meiner Ehre.‹ Sie hat alles für mich riskiert, und ich… Wunderschön – ach! Herr des Himmels, verzeih mir.«
»Du übertreibst«, sagte mein Vater.
»Ich habe ihr großes Unrecht getan.«
»Ja, das hast du wohl. Aber sie brauchte dich ja auch nicht zu treffen. Jedes Mädchen hätte gewußt, was du wolltest, und jedes Mädchen mit einem Funken Vernunft wäre nicht hingegangen.«
Gawain schaute wieder ins Feuer. Er verschränkte die Hände und antwortete nur mit Schweigen.
»Wenn es dir so nahegeht, warum hast du sie nicht geheiratet?« fragte meine Mutter.
Ein Achselzucken. »Später,
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