Bradshaw Gillian - Artus 02
gesehen, das ist wahr…«, begann Medraut.
»Ich habe gesehen, wie er kämpft, und es ist die einzige Erklärung dafür, daß er Medraut so behandelt. Wann hast du denn je sein Gesicht gesehen, wenn der Wahnsinn über ihn kommt, Rhys? Niemand wagt es dann, ihm in die Augen zu schauen.«
»Als wir nach Camlann kamen, begegneten wir auf der Straße ein paar Räubern, und er hat sie getötet. Aber selbst im Schlachtenwahnsinn ist er noch bei Bewußtsein. Nur… nur… ach, ich kann’s nicht sagen. Aber dein eigener Diener Aegmund hat mir Geschichten von den sächsischen Berserkern erzählt, wie sie aus dem Mund schäumen und heulen wie die Wölfe. So ist Gawain überhaupt nicht.«
»Aber es muß das gleiche sein«, erwiderte Rhuawn. »Keiner kann sagen, was Gawain in seinem Wahnsinn sieht.«
Das konnte ich auch nicht beantworten, und ich starrte ihn einfach an.
»Es ist schwer, so etwas von dem eigenen Herrn zu glauben«, sagte Medraut, noch immer zögernd. »Und weiß Gott, es ist auch schwer, so etwas von dem eigenen Bruder zu glauben, aber ich habe keine andere Erklärung. Ich weiß, Gawain sehnt sich nach Ruhm und Ehre – und welcher Krieger, der seinen Met wert ist, tut das nicht? Aber er würde deswegen nicht Lügen über meine Mutter und mich verbreiten. Nein, er glaubt an etwas, das aus seinem Wahnsinn herrührt, und weil er es glaubt, hat er Ruhm bei Fremden gesucht, anstatt bei seiner eigenen Familie. Man muß natürlich dem Pendragon alle Ehre erweisen« – Medraut nickte Rhuawn zu –, »aber mein Bruder hat sein eigenes Fleisch und Blut verlassen, um Artus zu dienen, und das ist etwas, woran ein rechter Mann nie denken würde. Als er aber Artus seinen Eid geleistet hatte, den die politische Notwendigkeit zu unserem Feind gemacht hat, da konnte er nicht anders, als seinen Irrtum weiter verteidigen. Und jetzt glaubt er, daß meine Mutter und ich für irgendeine große Finsternis kämpfen – mein Vater auch, nehme ich an –, während er und der Pendragon für irgendein Licht kämpfen. In Wirklichkeit will mein Vater nur Macht in Britannien haben, genau das gleiche, was der Pendragon auch will. Meines Vaters Rechte sind genauso gut wie die des Pendragon. Er hat die eheliche Tochter eines Hohen Königs geheiratet, und er ist der ehelich geborene König aus einem königlichen Clan. Obwohl er aus Irland stammt, während der Pendragon – ich sage das nicht, um ihn zu verunglimpfen, denn ich bewundere ihn in der Tat sehr dafür, daß er es überwunden hat –, obwohl Artus nur einer von Uthers Bastarden ist. Gesetzlich hat er keinen Clan und ist somit auch nicht in der Lage, die Stellung des Pendragon einzunehmen. Artus ist Hoher König, wie wir alle wissen, und er ist auch ein großer König. Das ist eine Tatsache. Aber es ist nicht so, als ob er für das reine Licht steht, während mein Vater und meine Mutter, die ihm einmal Gegner in einer guten Sache gewesen sind, zwangsläufig für die Finsternis stehen. Solche Gedanken passen gut in ein Lied und verleihen ihm Eleganz, aber was haben sie zu tun mit der Welt, in welcher wir leben? Mein armer Bruder verwechselt Britannien mit dem Land der Jugend, dem Königreich des Sommers. Ach, bei der Sonne, ich habe ihn in diesen Jahren vermißt. Ich habe mich immer und immer wieder gefragt, wann ich ihn wiedersehen würde. Jetzt sehe ich ihn und stelle fest, daß er noch immer wahnsinnig ist und mich haßt. Wenn er nur von seiner Krankheit frei wäre und heimkehren könnte!«
Unfähig, sich zu beherrschen, wandte Medraut all seine Gedanken der Harfe zu. Endlich spielte er eine Art Melodie, eine seltsame Klangfolge in Moll. Ich saß verwirrt da und fragte mich, wie sehr meine Welt wohl noch zusammenbrechen würde. Es stimmte ja wirklich: Artus’ Recht auf das Imperium von Britannien war nur sehr klein. Konnte der Kampf, den ich so deutlich gesehen hatte, der Kampf zwischen Licht und Finsternis, nur ein Zusammenstoß zwischen unehrlichen Königen sein? Der Gedanke war solide, leicht zu begreifen, ohne irgendwelche unbestimmbaren Begriffe, ohne Welten innerhalb von Welten, die davon abhingen. Und wenn es stimmte, dann waren Medraut und Morgas ganz unschuldig und Gawain völlig im Irrtum begriffen, und ich mit ihm. Medrauts Harfe klang weiter, und ich suchte verzweifelt nach Worten, versuchte, einen Ausweg zu finden.
»Mein Freund«, sagte Rhuawn, »du hast recht. Es ist eine Krankheit, die über ihn gekommen ist. Ich wünschte bei Gott, daß er davon geheilt wäre, denn
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