Bradshaw Gillian - Artus 02
es ist schrecklich, wenn ein Mann sich von seinem eigenen Clan und seinem eigenen Fleisch und Blut getrennt hat. Ich habe das von Anfang an geglaubt, und jetzt, wo ich sicher bin, daß du unschuldig bist… Aber was kann man tun? Gibt es irgendeine Behandlung gegen den Wahnsinn?«
Medraut holte tief Atem. Seine Augen waren sehr strahlend. »Ja. Es gibt mehrere Behandlungen gegen Wahnsinn.« Seine Stimme war sanft. »Man kann über sie nachlesen, in Büchern, in Werken, die von gelehrten römischen Doktoren geschrieben wurden. Aber ihm, ihm gegenüber könnte ich das nicht erwähnen. Er würde sich nie von mir helfen lassen, obwohl ich mich danach gesehnt habe, die Behandlungsmöglichkeiten an ihm auszuprobieren.«
»Diese Methoden«, sagte Rhuawn langsam, »… könnte ich dir helfen?«
»Wärst du gewillt?« fragte Medraut überrascht.
Still kämpfte ich mit Medrauts Argumenten und versuchte den Fehler daran zu finden. Aber meine Gedanken waren verwirrt, ich konnte das Ganze nur anstarren und denken, wie plausibel, wie außerordentlich vernünftig das alles klang.
»Aber natürlich«, sagte Rhuawn. »Gawain hat mir einmal im Kampf das Leben gerettet, und meine Treue gehört ihm, außerdem hege ich Freundschaft zu ihm und zu dir. Auf Ehre, ich will ihm zu einer Heilung verhelfen, auf jede Weise, die du mir zeigen wirst.«
»Unsere Hilfe würde er nicht annehmen«, sagte Medraut. »Wir könnten ihn nicht überzeugen, daß er sich irrt, und wahrscheinlich würde er nur denken, ich hätte irgendeine Zauberei gegen sein Leben gerichtet. Wenn wir auch nur irgend etwas andeuten, dann wird er an seinen Herrn schreiben, und Artus würde auf ihn hören.«
»Artus traut Gawain mehr als seiner eigenen rechten Hand«, sagte Rhuawn. »Und außerdem kennt er die Situation nicht.«
»Wenn ich also Gawain eine Medizin gebe, würdest du das vor dem Hohen König geheimhalten?« fragte Medraut fast bittend. »Es würde nicht sehr lange dauern.«
Rhuawn streckte die Hand aus. »Ich will dir bei jeder Behandlung helfen, die du planst, und Artus werde ich beruhigen, indem ich ihm berichte, daß es uns allen gutgeht.«
Medraut nahm seine Hand und umklammerte sie froh. Dann schaute er mich an. »Wirst du dich uns auch anschließen?« fragte er.
Ich leckte mir über die Lippen und versuchte einen Ausweg zu finden. Dann schaute ich Medraut an. Er sah demütig und ernst und gleichzeitig aufgeregt aus. Das half mir nicht weiter. Er mußte sich irren. Er irrte sich – aber wo lag der Fehler?
»Vielleicht hat Gawain dir von mir erzählt. Oder von dem Kampf, der seiner Phantasie nach stattfindet. Ich weiß, er kann sehr überzeugend sein. Aber denke gut nach. Überleg’s dir, ob meine Erklärung nicht wahrscheinlicher klingt als die Phantasien, die er für dich gesponnen hat.«
»Komm, Rhys«, warf Rhuawn ein. »Wir nennen ihn ja nicht umsonst Gawain mit der goldenen Zunge. Medraut dagegen, der spricht von wirklichen Dingen.«
»Wirst du uns helfen?« fragte Medraut noch einmal.
Ich leckte mir wieder über die Lippen. Wo, wo, wo lag der Fehler?
Plötzlich blitzte in meinen Gedanken ein Bild auf. Gawain kniete vor meinem Vater und bot ihm sein Schwert an. Niemand hatte er damit beeindrucken wollen, er hatte keinen Vorteil damit erreichen können. Die Geste war ein reines Geschenk gewesen, wie das, was Gawain Artus und Artus Britannien gab. Es war wirklich. Diesem Bild folgten schnell andere: Mein Herr lachte vor Bewunderung und sagte mir, ich könne die Brosche behalten. Er half mir, ohne nachzudenken, bei einer Arbeit, die seinem Rang nicht anstand. Er redete ernsthaft mit Artus. Er sang das unirdische Lied in den Marschen im Königreich des Sommers. Ich ließ meine halberhobene Hand wieder sinken. Es gab keine Frage mehr. Medraut log, er hatte die ganze Zeit gelogen. Während Gawains Redegewandtheit und Höflichkeit wirklich waren, Ausdruck seines ganzen Lebens, hatte Medraut nur Worte. Feine Farbe über verfaultem Holz. Selbst ohne Lots Krieger zu fragen, wurde mir plötzlich klar, daß ich Medraut noch nie gesehen hatte, wie er etwas Höfliches, Edles oder Freundliches tat, außer wenn er etwas dadurch gewinnen konnte. Ich konnte die beiden Brüder jetzt nebeneinanderstellen und ihre beiden Ansichten von der Welt, und es gab keine Frage mehr, wem ich glauben sollte.
»Nein«, sagte ich. »Ich werde nicht helfen.« Dann stand ich abrupt auf und schaute sie beide an. »Ich werde nicht helfen, weil mein Herr nicht wahnsinnig ist. Auch nicht
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