Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall
Hosentasche, der er ein zerdrücktes Päckli entnimmt. Routiniert klopft er eine Zigi heraus. Es fällt kein Wort. Inzwischen schlendert der Stift unaufgefordert zur Ladefläche, von der er eine Harke und einen Rechen hievt. Wenn er etwas von seinem Chef gelernt hat, so ist es, abgesehen von der eklatanten Gesprächigkeit, zweifellos das atemberaubende Arbeitstempo. Immerhin stellt er mit dem Werkzeug eine grundsätzliche Handlungsbereitschaft in Aussicht. Ich frage mich unweigerlich: Warum gelingt es der minimalistischen Darbietung der beiden Gärtner, mich vom Lesen abzuhalten?
Vielleicht lockt die Lektüre nicht wirklich. Der regionale Blätterwald ist ziemlich ausgedünnt. Er bietet wenig Alternativen. Im Tägu und in der Berner Zeitung finden sich weitgehend dieselben Bünde mit identischen Inhalten. Hans was Heiri, was man liest, falls man mehr als 20 Minuten für eine Gratiszeitung opfert. Ich schlage mit dem Handrücken auf das entfaltete Papier, als gälte es nun ernsthaft, mich den Tagesaktualitäten zuzuwenden.
Da klickt das Feuerzeug des Vorarbeiters. Das kurze, helle Geräusch genügt, mich erneut abzulenken. Warum zum Henker kann ich mich heute nicht konzentrieren?
Der Alte hat einen Glimmstängel entzündet. Paffend lehnt er sich gegen die offene Führerkabine. Das eine Bein belastet er als klassisches Standbein. Das übergrätschte Spielbein stützt er lässig mit der Fußspitze ab . Der Vorarbeiter räuspert sich, ohne danach irgendwelche Anweisungen zu husten. Schließlich lässt er einen kompakten Grünen zu Boden fladern. Mit zusammengekniffenen Echsenäuglein mustert der Stadtgärtner seine Umgebung, so als hoffte er eine grüne Oase ausfindig zu machen. Die befindet sich in Form einer üppig bepflanzten Rabatte auf der Fluchtlinie zwischen ihm und mir. Sie verhindert Blickkontakte durch die Blume. Verwundert blinzelt mich der Gärtner an, als wüsste er, mit wem er es zu tun hat. Nämlich dem stadtbekannten Privatdetektiven, der bereits eine Mörderin überführt hat. Seither kann ich allerdings weder mit nennenswerten Heldentaten prahlen, noch sind lohnende Aufträge eingegangen. Abgesehen von der Jagd nach den Schmierfinken. Der Rathauswirt hat mich beauftragt herauszufinden, wer ihm seine Liegenschaft garniert hat.
Bisher ist mir leider kein gescheiter Lösungsansatz eingefallen. Wie soll ich den Nachtbuben auf die Schliche kommen? Ich kenne mich in der Szene überhaupt nicht aus und bin zu alt, um mich unauffällig unter die Kiffer auf der Mühleplatztreppe zu mischen.
Ich müsste meine Ermittlungen auf die Typen vom Weißen Block fokussieren. Würde mich nicht wundern, wenn die Sprayer unter ihnen zu finden wären. Leider begnügt sich mein Auftraggeber nicht mit Vermutungen. Er wünscht, dass ich die nachtaktiven Wand- und Landstreicher inflagranti ertappe. Wie stelle ich das an?
An seiner Hauswand ist das Werk vollbracht. Kein Quadratmeter steht für neue Attacken frei. Dort werde ich die Künstler kaum mehr überraschen. Ich müsste erraten, welche jungfräuliche Fassade als nächstes vollgesabbert werden soll. Das Strättligarchiv? Die Bahnhofunterführung? Das Gerichtsgebäude auf dem Schlossberg?
Fast unmöglich, entsprechende Prognosen zu stellen. Am einfachsten wäre es, die Wand weiß zu übertünchen, um die Schmierfinken erneut zum Sprayen zu animieren. Sodann müsste ich nur noch das Objekt observieren. Allerdings rund um die Uhr.
Der Wirt kann sich für diese Lösung nicht erwärmen. »Identifiziere die Täter und ich renoviere die Fassade. Vorher nicht«, hat er verkündet. Das macht mich ziemlich rat- und mutlos. Huere Schmiererei! Scheiß Auftrag!
Die Gärtner ergreifen das Werkzeug und zwei grüne Plastikkörbe. Sie schlurfen in Richtung Blumenbeet. Ich erwäge zu flüchten, bin aber unentschlossen und bleibe schließlich doch sitzen. Meine Blicke folgen dem blonden Jüngling, der inzwischen den grünen Arbeitskittel ablegt hat und jetzt ein weißes T-Shirt mit dem karminroten Aufdruck ›Ich bin auch ein Rasenmäher‹ präsentiert.
Der Rasenmäher und sein Boss nähern sich als wankende Silhouetten im Gegenlicht der Morgensonne. Sie wirken wie zwei Außerirdische, die ihr Tagwerk zum Wohl der Menschheit anpacken. Sie werden aber von einer jungen Frau gestoppt. Dafür hat sie, wie ich von meinem Bänklein aus leicht erkenne, zwei plausible Gründe: Erstens steht die Gute mitten im Blumenbeet und zweitens ist sie splitterfasernackt!
Samtblättrige
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