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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Backnang geraten war, überlebt, monatelange Krankenhausaufenthalte und unzählige Operationen im Gefolge. Braig wusste zur Genüge um ihre Schmerzen infolge dieser Verletzungen, hatten sie sich doch bei dieser gefährlichen Auseinandersetzung mit einem skrupellosen Verbrecher kennengelernt und im Anschluss daran zu gemeinsamer Lebensplanung gefunden.
    »Ich passe auf«, versicherte er ihr deshalb mit Nachdruck, »wirklich, sei unbesorgt. Mein Kind soll nicht ohne Vater aufwachsen.«
    »Hoffentlich.«
    Er versprach, sofort Bescheid zu geben, sobald er den Täter verhaftet hatte, ließ mehrere Fahrgäste passieren, weil der Zug in einem Bahnhof zum Stehen gekommen war, verabschiedete sich dann von ihr. Ich muss die Sache schnell über die Bühne bringen, war er sich bewusst, schon allein, um Ann-Katrin die beruhigende Nachricht zukommen zu lassen. Sie sitzt jetzt die nächsten Stunden zu Hause, macht sich Sorgen.
    Und du hast es nicht bemerkt, vor ein paar Tagen, bei deinem Besuch, hatte sie gefragt, als er ihr eben, vor wenigen Minuten, die Identität des auf dem Film entlarvten Mörders enthüllt hatte. Bemerkt, geahnt, jenes ungute Gefühl gespürt, das dich bei so vielen Ermittlungen schon auf die richtige Fährte hat kommen lassen?
    Er hatte eine Weile überlegt, sich in Gedanken in die Momente seines Aufenthaltes, des Gesprächs, seiner Empfindungen zurückversetzt, die ihm damals durch den Kopf gegangen waren. Doch, hatte er dann geantwortet, die Reaktionen meines Gegenüber waren mir zu laut, zu plakativ, zu bemüht erschienen – aber aus diesem Gefühl heraus die Verantwortung für die Verbrechen zu erkennen, in der Kürze der Zeit, der Anspannung meiner Nerven, nein, das war nicht möglich, nicht realisierbar, auch nicht nach so vielen Jahren beruflicher Erfahrung, die ich bereits hinter mir habe. Im Roman vielleicht, im Film, wo die ermittelnden Kommissare mit übermenschlichen Sinnen ausgestattet die Täter wie Hellseher aus einer ganzen Gruppe Verdächtiger heraus isolierten, niemals aber in der Realität. Und dann war ihm eingefallen, dass er seinen ersten Besuch bei der inzwischen des Mordes überführten Person vor wenigen Tagen unter ähnlich hektischen Umständen wie jetzt angetreten hatte, zu ähnlich später Stunde, vielleicht sogar mit demselben Zug …
    Mitten in seinen Gedanken hörte er die Lautsprecherdurchsage, dass der Endbahnhof mitsamt den Anschlusszügen nach Hechingen-Sigmaringen und Rottenburg-Horb in Kürze erreicht werde und die Deutsche Bahn allen Reisenden eine angenehme Weiterfahrt und einen geruhsamen Abend wünsche und sich auf ein Wiedersehen in ihren Zügen freue. Einen geruhsamen Abend, überlegte er, ob es wirklich das war, was ihn jetzt erwartete?
    Er stieg im Strom unzähliger Passanten aus dem Zug, sah die vielen erwartungsfrohen Gesichter überwiegend junger Menschen, die auf die Ankunft ihrer Freundinnen und Freunde warteten. Laute Rufe, Willkommensschreie, innige Liebkosungen. Braig freute sich über den herzlichen Empfang, denn er liebte die Stadt, ihre verwinkelten, mit pulsierendem Leben erfüllten Gassen, die vielen jungen, noch von Idealen beseelten Menschen, den kleinen, einer gemütlichen Puppenstube ähnlichen, von schmucken Häusern eingefassten Marktplatz, viele der urigen Kneipen, den Anblick der hoch über dem Fluss aufragenden alten Häuser, die große Zahl der Fahrräder auf den Straßen, überhaupt den Flair, der hier aus allen Ecken und Enden flutete, ja, er schätzte sogar das junge Stadtoberhaupt wie sonst kaum einen Politiker im Land. Eine Insel der Seligen, wie manche Geistesgröße in den vergangenen Jahrhunderten vermutet hatte?
    Braig kämpfte sich in der fast unübersehbar großen Zahl der Reisenden die Treppen abwärts, bog dann nicht nach links zum Hauptausgang, sondern in die entgegengesetzte Richtung ab. Er erreichte den Platz vor dem vorbildlich restaurierten Gebäudekomplex der prächtigen, wie ein Schloss anmutenden ehemaligen Thiepval-Kaserne, lief am Zoll- und Finanzamt vorbei zur Steinlach, überquerte den kanalmäßig begradigten Lauf des Flüsschens. Ein geradezu überirdischer Friede schien in den schmalen Straßen der Tübinger Südstadt zu herrschen. Trotz der längst angebrochenen Nacht waren noch etliche, meist junge Menschen unterwegs, viele zu Fuß, die meisten auf Fahrrädern, kaum ein Auto störte. Eine Handvoll Straßenlampen duchbrachen die Dämmerung mit ihrem fahlen Schein. Die Luft hatte sich abgekühlt, war dennoch

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