Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
war, die Gegend rund um eine Jagdhütte genauer unter die Lupe zu nehmen, auf den Tag genau eine Woche nach dem Mord …
Und Lisa Haag? Mit Meisners Handy zur Comburg gelockt, etwa hundertfünfzig Kilometer von Gomadingen entfernt und dort fünfundzwanzig Stunden nach Meisners Tod mit derselben Waffe ermordet. Derselbe Täter?
»Wer denn sonst?«, hatte Ohmstedt erklärt, »oder ist dir schon einmal ein Mörder unter die Hände gekommen, der seine Knarre weitergereicht hat?«
Natürlich nicht, was für eine Frage. Erst Meisner, dann der eine Engel, anschließend der andere. Caroline Klenk. Dreimal dieselbe Person?
»Du weißt es doch längst. Die Faserspuren werden den Beweis liefern.«
Braig war sich darüber im Klaren, was der Kollege andeutete. Die Faserspuren am Turm der Burg Teck und an Caroline Klenks Kleidung würden den Täter endgültig überführen.
»Du solltest dich beeilen«, mischte sich Herb ins Gespräch. »Nicht dass es ein weiteres Opfer gibt.«
Er nickte, stimmte dem Hauptkommissar insgeheim zu. Wer bereits soviel Unheil angerichtet hatte, dem kam es auf ein weiteres Opfer nicht an.
»Willst du die Beamten vor Ort informieren oder sollen wir dich begleiten?«
Braig schaute auf seine Uhr, schüttelte den Kopf. Zwanzig vor Sechs. »Der nächste Zug geht in wenigen Minuten. Wenn mich einer von euch zum Bahnhof fahren könnte?« Er sah Ohmstedts zustimmendes Nicken, zeigte auf den Monitor. »Wie wäre es mit einer Kopie? Nur der kurze Ausschnitt, okay?«
Er lief in sein Büro, blätterte kurz in den Unterlagen, wusste die Adresse auswendig. Er griff nach dem Handy, dann, nach kurzem Zögern, zu seiner Pistole, schob den Schultergurt über, schlüpfte in seine Jacke. Als er auf den Flur trat, kam ihm Ohmstedt schon entgegen, eine CD und die klobige Lupe in der Hand.
»Hier, der Beweis. Ich soll dich wirklich nicht begleiten?«
Braig schüttelte den Kopf. »Nur zum Bahnhof, das reicht.«
Er fuhr mit Ohmstedt in die Tiefgarage, ließ sich von dem Kollegen am Ende der Deckerstraße absetzen, ging die letzten Meter zu Fuß. Der Zug war gut besetzt, viele müde Gesichter, die nach einem langen Arbeitstag den Heimweg angetreten hatten. Braig blieb im Eingangsbereich stehen, zog sein Handy vor, ließ sich mit Ann-Katrin verbinden.
»Ich dachte …«
»Tut mir leid«, fiel er ihr ins Wort, »das Übliche.«
»Schade. Ich wollte gerade einen Hawai-Toast in den Ofen schieben.«
»Beinahe wäre aus unserem gemütlichen Abend was geworden. Ich war schon auf dem Weg …«
»Du klingst müde. Schon wieder ein neues Opfer?«
»Opfer? Hoffentlich nicht, nein. Ich weiß, wer es war.«
»Der Täter?«, fragte sie überrascht.
Er berichtete ihr von Herbs und Ohmstedts Auftrag, ging auf das zufällig gefilmte Geschehen ein.
»Dieser Mann aus dem Irak hat den Mord gefilmt?«, vergewisserte sich Ann-Katrin.
»Er selbst oder einer seiner Freunde, mit denen er unterwegs war, ja. Die hielten die Kamera minutenlang auf den Ulmer Spatz, verfolgten den Zug vom Bahnhof Marbach bis in den letzten Winkel des Tals, schwenkten dann mit eingeschaltetem Zoom langsam den Waldrand hoch. Genau in dem Moment ist es passiert. Mit bloßem Auge kannst du nur die Umrisse sehen, erst mit einer Lupe haben wir die Gesichter erkannt. Für unsere Techniker ist das aber kein Problem, die haben solche Aufnahmen schon oft stark vergrößert.«
»Dann war Herbs und Ohmstedts Arbeit doch nicht ganz umsonst.«
»Von meiner Warte aus nicht, nein.«
»Und jetzt? Du bist schon unterwegs?«
»Im Zug, ja. Mit etwas Glück habe ich die Sache in einer Stunde erledigt.«
»Du bist bewaffnet?« Der besorgte Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Ich weiß, um was es geht.« Er tastete nach seiner Pistole, spürte das kalte Metall unter seiner linken Achsel.
»Es gibt schon drei Opfer, das ist genug.«
Braig konnte Ann-Katrins Angst förmlich spüren. Seit Beginn der Schwangerschaft hatte ihre Besorgnis hinsichtlich der Gefahren seines Berufes deutlich zugenommen. Wann immer sie ihn in brenzligen Situationen wähnte, bat sie ihn morgens, wenn sie sich voneinander verabschiedeten, um besondere Vorsicht – ein Verhalten, das nicht etwa einer instabilen Psyche oder mangelndem Urvertrauen, sondern ihrer eigenen Erfahrung zuzuschreiben war: Nur mit viel Glück hatte sie vor über sieben Jahren eine heftige Schießerei, in die sie in Ausübung ihres Dienstes als Beamtin der Schutzpolizei in
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