Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
zu haben, ich arbeitete Spätschicht. Nach dem Aussehen der jungen Dame dürfen Sie mich allerdings nicht fragen, dafür habe ich keinen Blick.«
Auch Braigs Anruf und persönliches Gespräch am Dienstagmittag mit Vertretern der Firma aus Reutlingen, mit denen Riederich am vergangenen Mittwoch zur Zeit von Caroline Klenks Tod angeblich wichtige Verhandlungen geführt hatte, war ganz im Sinn des Unternehmers ausgefallen. Jawohl, es habe sich um eine längere Unterredung gehandelt, die fast den gesamten Tag über bis etwa gegen 17 Uhr gedauert habe. Herr Riederich sei selbstverständlich die ganze Zeit über persönlich in die Gespräche involviert gewesen, wer sonst?
Das Alibi des Mannes war hieb- und stichfest, wo immer sie ihn zu packen versuchten.
Abgespannt und frustriert war Braig ins Amt zurückgekehrt, hatte Neundorf über die neuesten Ergebnisse unterrichtet, dann einen ausführlichen Bericht über die Ermittlung verfasst. Es dämmerte längst, als er kurz vor 17 Uhr zum Telefonhörer griff und seine private Nummer eingab. »Ich habe die Schnauze gestrichen voll«, sagte er, als Ann-Katrin sich meldete.
»Nichts mit diesem Riederich?«
»Nein, sein Alibi ist absolut wasserdicht.«
»Dann lass alles liegen und komm nach Hause. Wir machen uns einen gemütlichen Abend, trotz allem.«
»Das klingt gut«, gab er zu.
»Was willst du essen? Ich habe Zeit, kann gern etwas vorbereiten.«
Braig gähnte leise, freute sich über ihren Vorschlag. »Nur eine Kleinigkeit. Was nicht zu viel Arbeit macht.«
»Mir macht nichts zu viel Arbeit. Entscheidend ist nur die Zeit, die du mir gibst. Wenn du in einer halben Stunde hier bist …«
»Dann muss ich aber sofort gehen.«
»Gerne. Ich freue mich. Das reicht zum Beispiel für Griechischen Salat und selbst gemachte Pommes aus frischen Kartoffeln.«
»In dreißig Minuten?«
»Warum nicht? Oder stehst du heute eher auf Hawai Toast? Wir haben Ananas da.«
Braig fühlte sich Minute um Minute wohler, hatte nur noch einen Wunsch, das Büro zu verlassen. »Ich überlasse es dir. Hauptsache, ich komme hier raus. So schnell wie möglich.«
»Also gut. Ich freue mich.«
»Ich mich genauso. Bis gleich.«
Braig legte den Hörer auf, erhob sich von seinem Stuhl. Er fuhr seinen Computer herunter, ging zur Kaffeemaschine, schaltete sie aus, griff nach seiner Jacke.
Im selben Moment stand Herb in seinem Büro. »Hallo. Du willst gehen?«
Braig nickte. »Und du? Nicht mehr für die Schlapphüte unterwegs?«
»Nein, das ist passé. Zum Glück. Obwohl …« Er brach mitten im Satz ab, verzog sein Gesicht zu einem seltsamen Grinsen. »Es ist verrückt, aber ich glaube, es hat sich gelohnt.«
»Ihr habt den Kerl überführt?«
Herbs Grinsen verstärkte sich. »Überführt?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist eine Story für sich.«
»Ja? Ich höre.«
»Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben. Die Schlapphüte. Alle Vorurteile haben sich bestätigt.«
»Jetzt mache es nicht so spannend.«
»Ich erzähle es dir gern.« Herb nickte, zeigte auf den Gang. »Aber könntest du mal bitte mitkommen? In mein Büro.«
Braig schaute ihn fragend an, schien zu zögern.
»Du willst nach Hause, ich weiß. Aber … Es ist wichtig, wirklich.«
Braig legte seine Jacke wieder ab, folgte dem Kollegen aus dem Büro.
»Gestern Abend kam die Anordnung zum Zugriff. Ich war schon auf dem Rückweg, sie übernahmen es selbst. Ich nehme an, die haben ihn heute Nacht verhört und seinen Spind im Asylantenheim durchsucht. Heute Mittag wurden sie erneut vorstellig: Ich solle mir den Film anschauen, den sie bei ihm fanden und genau auflisten, wo die jeweilige Szene gedreht wurde. Die Ausflüge der letzten beiden Wochen sozusagen. Lichtenstein, das Pferdegestüt in Marbach, Schloss Grafeneck und so weiter. Kein Problem, ich war ja dabei und habe alles notiert. Ich schaue mir also den Film an, immer sekundenweise, solange eine Szene läuft und versuche, genau zu beschreiben, wo was zu finden ist. Den ganzen Mittag, versteht sich. Bis auf einen kurzen Abschnitt kam ich mit allem klar. Deshalb rief ich Jan zu Hilfe.«
Sie waren vor Herbs Büro angelangt, betraten den Raum. Ohmstedt saß vor dem Computerbildschirm, betrachtete einen Film.
»Oh, du bist auch da.« Braig klopfte dem Kollegen auf die Schulter, schaute auf den Monitor. Ein schmales, von dunkelgrünen Nadelbäumen und winterlich ausgebleichten Wiesen geprägtes Tal, im Hintergrund ein kleiner, sich langsam nähernder Zug.
»Es ist
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