Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
auf das Brennglas, erbleichte zusehends.
»Du weißt, um wen es sich handelt?«, fragte Herb.
Braig nickte, schien unfähig, sich zu äußern. Seine zustimmende Körperbewegung wollte kein Ende nehmen.
34. Kapitel
AUßERGEWÖHNLICHE SCHWABEN
Von Thomas Weiss
DIE FRAUEN UND MÄNNER DER
EVANGELISCHEN PFARRHAUSKETTE
Doch, es gibt sie, die Lichter in der Dunkelheit, die Engel mitten unter uns, viel zahlreicher sogar, als wir es glauben wollen. Mitten im Wüten des widerlichsten Mobs in der Zeit des Nationalsozialismus riskierte eine große Gruppe von Menschen ihr Leben, um wehrlos Verfolgte, ihnen völlig Unbekannte, vor dem schon sicher geglaubten Tod zu bewahren. Unzählige, vor allem Juden, konnten so gerettet werden.
A ngespornt vom Beispiel des Berliner Pfarrers Heinrich Grüber, der von der Hauptstadt aus die Rettung tausender Verfolgter organisierte, ehe er selbst 1940 verhaftet und im KZ ermordet wurde, entstand im Schwäbischen ein Netzwerk von evangelischen Pfarrhäusern, das sich um Menschen auf der Flucht kümmerte und diese über Wochen und Monate hinweg bei sich verbarg und mit Nahrung versorgte. Wurden Nachbarn oder Nazi-Spitzel misstrauisch, wurden die Verfolgten in waghalsigen Nacht- und Nebelaktionen an andere Mitglieder dieser Pfarrhauskette weitergereicht. Welche Schwierigkeiten dies in einer Zeit häufiger Fliegerangriffe, intensiver Überwachung und streng rationierter Nahrungszuteilung beinhaltete, lässt sich heute kaum mehr ermessen. So galt etwa in Reichenbach an der Fils Theodor Dipper , einer der Initiatoren der Pfarrhauskette, als der »verfressenste Pfarrer«, den der Ort je gesehen hatte. Die Nachbarn beklagten sich, dass »der Pfarrer immer mit vollen Taschen den Berg hochschnaufe und bei Fliegerangriffen keinen ins Pfarrhaus lasse.« Dass er gemeinsam mit seiner Frau vertrauenswürdige Bauern der Umgebung zugunsten der bei ihm Versteckten ständig um Essen anbettelte, war im Dorf zum Glück verborgen geblieben.
Ein großer Teil der engagierten Helfer waren Frauen: Theologinnen, die als Pfarrerinnen arbeiteten; die Ehefrauen der oft als Soldaten abkommandierten Pfarrer; Gemeindehelferinnen, die die Tätigkeit der Pfarrer unterstützten oder an deren Stelle übernommen hatten; Frauen aus der Gemeinde, die von den Mitgliedern der Pfarrhauskette ins Vertrauen gezogen worden waren. Sie alle haben unter Einsatz ihres eigenen Lebens Unzählige über die schreckliche Zeit hinweg gerettet, ohne je großen Dank dafür zu erhalten. Eines der wenigen bekannt gewordenen Beispiele der vor der Ermordung bewahrten Juden war die fast zwei Jahre lang von Pfarrhaus zu Pfarrhaus weitergereichte Familie Karoline und Max Krakauer aus Berlin.
Die Namen aller an den lebensgefährlichen Hilfsaktionen beteiligten Frauen und Männer zu nennen, sprengt den Rahmen dieser Zeilen. Zu fragen bleibt aber, weshalb diese Menschen in unserer von den Medien so dominierten Zeit vollkommen in Vergessenheit geraten konnten. Warum finden wir in den betroffenen Ortschaften nicht ausdrückliche Hinweise auf ihr Verhalten, weshalb stehen ihre Namen nicht in unseren Schulbüchern?
Stellvertretend für die Mitglieder der Pfarrhauskette der evangelischen Bekennenden Kirche seien diese Namen genannt:
PFARREREHEPAAR ELISABETH UND KURT MÜLLER UND PFARRSEKRETÄRIN HAUSNER IN STUTTGART.
PFARREREHEPAAR HILDEGARD UND THEODOR DIPPER IN REICHENBACH AN DER FILS.
GEMEINDEHELFERIN EMMA SCHWILLE UND MUTTER IN NECKARTAILFINGEN UND REICHENBACH.
GEMEINDEDIAKONINNEN ELISABETH BRAUN UND GERTRUD KIRN UND PFARRFRAU HANNAH HOLZAPFEL IN GERSTETTEN.
PFARRERIN MARGARETE HOFFER UND PFARRFRAU LOTTE KURZ IN SCHWENNINGEN.
PFARREREHEPAAR JOHANNA UND EUGEN STÖFFLER IN KÖNGEN.
PFARREREHEPAAR HILDEGARD UND RICHARD GÖLZ IN WANKHEIM BEI TÜBINGEN.
PFARRFRAU HILDEGARD SPIETH IN KERNEN-STETTEN.
PFARREREHEPAAR GERTRUD UND OTTO MÖRIKE IN FLACHT BEI WEISSACH UND KIRCHHEIM/TECK.
PFARREREHEPAAR ELSBETH UND HERMANN ZELLER IN WAIBLINGEN.
PFARRFRAU ELISABETH GOES, GEBERSHEIM.
PFARREREHEPAAR ANNELISE UND HERMANN DIEM, EBERSBACH.
35. Kapitel
Der Schock saß tief.
So also war Meisner ums Leben gekommen, Braig hatte es mit eigenen Augen gesehen. Erschossen am Waldrand in der Nähe von Gomadingen, an einem warmen, sonnigen Nachmittag im Januar. Anschließend wohl zu seinem eigenen Auto geschleift, wenige hundert Meter durch den Wald kutschiert, dann in der Höhle zwischengelagert. Bis der Kriminaltechniker Helmut Rössle auf die Idee gekommen
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