Bran
Spektakeln, bei denen nicht einzusehen war, ob sie für Attraktionen warben oder die Attraktion waren. Schwere Sternenschiffe donnerten im Tiefflug über die Alleen, ihre Druckwellen warfen Passanten zu Boden und ebneten Bretterbuden ein, offene Garküchen und mit Elend vollgestopfte Slums, die sich mitten auf Kreuzungen und Plätzen breitmachten wie unliebsame Verwandte, die man nicht mehr loswurde.
In Straners Körper zappelten Fluchtreflexe, als sei er unfreiwillig Zeuge von Folterungen geworden, die seinen Verstand stärker strapazierten, als er ertragen konnte.
Er besorgte sich etwas zu trinken. Alkohol. Und andere Stoffe, die seine Sinne dämpften und den Aufruhr seiner Nerven aushaltbar machten.
Dann ging er weiter. Er trieb dahin wie ein Stück Holz, das einem Katarakt zuschwamm. Er war in einen Sog geraten wie ein Fetzen, der von einem Feuersturm angezogen wurde und der bald im prasselnden Kamin seiner lotrechten Flammensäule vergehen würde. Wie ein Asteroid, der in den Gravitationstrichter eines Schwarzen Lochs stürzt. Die Nova würde ihn wieder ausspeien. Als sei der Boden uneben geworden, bilde eine schiefe Ebene und öffne sich zu einem Krater, taumelte er immer schneller einem unsichtbaren Schwerezentrum zu, das ihn einschlingen und vernichten würde. Er überließ sich dem Gefühl der Unaufhaltsamkeit. Es war ein sexuelles Rasen, dem er keinen Einhalt mehr gebieten konnte, selbst wenn der Höhepunkt mit der Zerstörung seines Selbst zusammenfallen sollte. In lauten orgiastischen Schreien feuerte er die Mächte an, die ihn zerfleischten.
Er ertappte sich dabei, dass er sich Horden junger Männer angeschlossen hatte, die trinkend und singend durch die hitzewabernden Gassen eines Vergnügungsviertels zogen. Er grölte ihre Lieder mit und lachte kreischend über ihre Scherze, überschlug sich, wenn sie einer Dirne ans Zeug gingen oder aus reiner Lust, aus einem Zuviel an Kraft einen Fremden niederschlugen. An einem Brunnen tröpfelte rostiges Wasser in ein halb gefülltes Becken, in dessen trüben Fluten sich Huren ihren Freiern hingaben. Schwere, stampfende Rhythmen schlugen aus den Eingängen der Bars, wie Walzwerke die eine Zukunft aus Stahl und Eisen schmiedeten. Aber dann war es nur Musik, von der sich die Mädchen durchschüttern ließen wie von den Penetrationen ihrer Liebhaber.
Was tat er hier? Was hatte Kundali hier getan?
Er versuchte, sich zu orientieren. Manchmal kam ihm etwas bekannt vor. Ein Gebäude, ein Platz, ein Straßenzug. Aber so, wie man einen bekannten Menschen auf einem missglückten Jugendbildnis erkennt, das ihn trotzig und wild zeigt, das Gesicht von Ausschweifungen entstellt.
Natürlich hatte er das Tattoo deaktiviert. Schon im Zhid seiner Zeit hatte er Aufsehen damit erregt, zumindest in gewissen Vierteln. Hier wäre es sein Tod. Er zweifelte nicht daran, dass diese Leute in der Lage wären, ihm den Arm abzutrennen, um an das Wunderwerk heranzukommen.
Also musste er sich auf sein Gedächtnis verlassen, das verwüstet war, als habe er dreißig Jahre fortdauernden Rausches hinter sich.
Und plötzlich stand er direkt davor. Er hatte es nicht gesucht, aber etwas hatte ihn doch hierher geführt. Sein Unbewusstes. Oder ein göttlicher Plan. Was machte das für einen Unterschied? Er trug die Adresse in seinem Handgelenk, und er hatte sie auch im Kopf. Aber was nützte ihm das in dieser Stadt, die ihr Innerstes nach außen kehrte wie ein Säufer, der sich die Seele aus dem Leib kotzt.
Aber er war hier. Wie der Zentralschlot eines lodernden Vulkans im Zentrum seiner Nebenkrater erhob sich vor ihm ein mächtiger Turm, Hunderte von Stockwerken hoch, berstend vor rot glühenden Ekstasen.
»Leli’s Budike«.
Straner musste grinsen. Er dachte an Kiú und So Chí, die hier in dreißig Jahren Dienst tun würden. Er dachte an Cejla, die sich mit Grausen abwenden würde. Er dachte an Lena und hörte ihre Worte: »Das ist ja aufregend.«
Er dachte an Brighton, der ihm alles das ermöglichte und der für alles aufkommen würde, was immer nun geschah. Er füllte noch einmal die Lungen mit der stickigen Luft der Nacht und machte sich darauf gefasst, dass es im Inneren noch viel schwüler sein werde.
Dann trat er ein.
Leli begrüßte jeden Gast persönlich. Eine beeindruckende Frau, stolz und stattlich, ein Flammenmeer gelbroten Haars brandete um ein Gesicht, das den Scheitel seiner Schönheit um zehn Jahre überschritten hatte, aber immer noch weibliche Würde ausstrahlte. Auf
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