Brandfährte (German Edition)
schroff. «Hör zu, ich …»
Doch er unterbrach sie sofort. «Ich hab uns für diesen besonderen Abend ein Fischmenü bestellt. Du isst doch so gern Seeteufel.»
Entgeistert schaute Maike ihn an. Woher wusste er, dass sie für ihr Leben gerne Fisch aß?
«Ich … ich will nichts essen. Und ich hab auch nicht viel Zeit.» Maike versuchte ihrer Stimme Festigkeit zu geben, so wie sie es zu Hause vor dem Spiegel trainiert hatte. Einen Moment lang schien es ihr, als würde sein Lächeln gefrieren. Doch zu ihrer großen Erleichterung machte er ihr keine Szene.
«Ich weiß, ich hab dich in letzter Zeit etwas bedrängt», räumte er ein. «Aber so eine starke Verbundenheit habe ich noch nie mit einer Frau gefühlt. Du und ich – das ist etwas Besonderes, etwas ganz Wertvolles.» Er legte sanft, aber bestimmt seine Hand auf ihren Arm, damit sie ihn nicht unterbrechen konnte, und sprach weiter.
«Ich weiß, du bist noch nicht so weit. Dein Exfreund hat dich schwer enttäuscht. Betrogen zu werden, noch dazu mit einer Arbeitskollegin, das tut weh. Das verstehe ich.»
Maike wurde kalt. Woher wusste er, dass Alexander sie vor einem Jahr so gemein abserviert hatte? Eines Abends eröffnete Alexander ihr völlig unvermittelt, dass Schluss sei. Drei Tage später stand er nach Feierabend an der Ecke gegenüber der Praxis und wartete. Doch nicht auf sie, sondern auf Silke, ihre Kollegin. An jenem Abend dachte sie in ihrer Verzweiflung daran, vor einen Zug zu springen. Doch es fehlte ihr der Mut. Sie weinte nächtelang und zog sich von allen Freunden zurück.
Ja, sie war allein. Aber nicht so sehr, dass sie um jeden Preis eine neue Beziehung eingegangen wäre. Sie holte tief Luft, um ihre sechs Sätze zu sagen, die sie sich Wort für Wort zurechtgelegt hatte.
Als sie geendet hatte, schwieg er und schaute sie tiefbekümmert an. «Okay. Ich habe verstanden. Aber dann lass uns jedenfalls Freunde bleiben.» Dabei hatte er so traurig geklungen, dass sie ihm diese Bitte nicht abschlagen mochte. Zwei Stunden später verabschiedeten sie sich.
Am Montag der darauffolgenden Woche waren alle vier Reifen ihres Autos zerstochen. Weinend lief sie zu ihrem Rad, das wie immer am Zaun vor ihrem Wohnhaus angekettet war. Dort sah sie, dass der Sattel aufgeschlitzt und der Vorderreifen platt war. Zitternd fuhr sie mit dem Taxi zur Arbeit. In der Mittagspause erstattete sie Anzeige. Der Wachhabende wirkte wenig interessiert, als sie angab, einen Bekannten zu verdächtigen. Sie vertiefte die Sache nicht weiter. Sie würde es ja doch nie beweisen können.
Sie handelte selbst dann nicht, als am Abend ein Brief von ihm in der Post lag.
«Meine liebe Maike. Auch mich hat es in dieser Nacht getroffen. Lass uns unsere Kräfte bündeln, um den Kerl zu schnappen.»
Sie zerriss den Brief. Was bewies er schon?
Fortan parkte sie zwei Häuserblocks von ihrer Wohnung entfernt und ging den Rest zu Fuß. Sie trug ihr Rad jeden Abend in den Keller. In seine Mails und Briefe mischte sich ein aggressiver Ton. Maike ertappte sich dabei, dass sie von ihrem Küchenfenster aus die Straße nach ihm absuchte, bevor sie das Haus verließ. Im Supermarkt stand er plötzlich neben ihr an der Käsetheke; in der rechten Hand ein Messer, an dem noch das Preisschild baumelte. «Ich krieg dich, du Schlampe.» Es war nicht mehr als ein leises, drohendes Zischen. Aber Maike erstarrte vor Angst. Dann lächelte er sie an und ging. Immer wieder rief sie sich die Szene in Erinnerung, und irgendwann fragte sie sich, ob sie sich die Drohung nur eingebildet hatte.
Maike hörte, wie jemand im Laufschritt die drei Stufen zu ihrem Hauseingang nahm. Dann klapperte der Briefschlitz. Vorsichtig sah sie aus dem Fenster. Der Zeitungsausträger. Sie seufzte erleichtert. Sie musste daran denken, wie sie den Sonntagmorgen früher immer genossen hatte. Die Zeitung, ein Milchkaffee im Bett und die Vorhänge offen, sodass die Sonne in ihr Zimmer scheinen konnte. Wie weit das weg war.
Sie spürte, wie der Ärger in ihr hochkroch. Mit einem Satz war sie an der Tür und lief barfuß und im Schlafanzug die zwei Stockwerke hinunter zum Hauseingang. Sie kannte ihre Mitbewohner. Um diese Zeit schliefen die meisten noch. Selbst die alte Frau ein Stockwerk unter ihr würde erst in einer halben Stunde mit dem Hund rausgehen. Maike griff sich die drei Tageszeitungen, die der Austräger gebracht hatte, als sie ein Geräusch im Treppenhaus hörte. Einen Moment lauschte sie angestrengt. Doch es blieb still.
Weitere Kostenlose Bücher