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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Güte«, murmelte sie.
    Ich folgte ihrem Blick und entdeckte ein schwarzes Fohlen, das knapp hundert Meter weg gleich jenseits der rauchenden Stallruinen stand. Das prachtvolle Tier wirkte, von uns aus betrachtet, wie aus Ebenholz geschnitzt, und ich konnte das Zucken der Muskeln und des Schwanze s erkennen, mit dem es unsere Aufmerksamkeit zu erwidern schien.
    »Die Ställe«, sagte McGovern in ehrfürchtigem Staunen. »Wie ist denn er bloß davongekommen?«
    Sie schaltete ihr Funkgerät ein.
    »Teun an Jennifer«, sagte sie.
    »Höre.«
    »Werfen Sie mal einen Blick in Richtung Ställe. Sehen Sie dahinter dasselbe wie ich?«
    »Zehn-vier. Habe das vierbeinige Objekt gesichtet.«
    »Sorgen Sie dafür, dass die Leute in der Umgebung Bescheid wissen. Wir müssen herausfinden, ob das Objekt ein Überlebender von hier ist oder ein Ausreißer von anderswoher.«
    »Geht in Ordnung.«
    McGovern stapfte davon, eine Schaufel über der Schulter. Ich beobachtete, wie sie in die stinkende Grube stieg und die Schaufel in der Nähe dessen, was einst die breite Eingangstür gewesen zu sein schien, in den Boden stieß. Das kalte Wasser stand ihr bis zu den Knien. In der Ferne verschwammen die Konturen des schwarzen Pferdes und waberten, als wäre es aus Feuer. Ich stapfte in durchweichten Stiefeln los, meine Finger wurden immer steifer. Es war bloß eine Frage der Zeit, wann ich ein Klo brauchen würde, das, wie gehabt, ein Baum, ein Erdhügel, eine Ackerfurche sein würde, jedenfalls etwas, das den Anschein erweckte, eine todsichere Deckung zu bieten, und in dessen Umkreis sich meilenweit kein Mann befinden dürfte.
    Ich betrat das stehen gebliebene steinerne Gemäuer nicht sofort, sondern umkreiste es langsam von außen. Das Einstürzen noch vorhandener Gebäudeteile war ein e offenkundige außerordentliche Gefahr an solchen Schauplätzen massiver Zerstörung, und obwohl die zweigeschossigen Mauern einigermaßen stabil wirkten, wäre es mir lieber gewesen, wenn man sie mit dem Bagger eingerissen und weggekarrt hätte. Ich setzte meine Besichtigung im steifen, kalten Wind fort. Mir schwand der Mut bei der Frage, wo ich anfangen sollte. Der Aluminiumkoffer zerrte an meinen Schultern, und die Vorstellung, dass ich einen Rechen durch die verwässerten Überreste ziehen sollte, jagte mir einen stechenden Schmerz durch den Rücken. Ich war mir sicher, dass McGovern mich beobachten würde, um zu sehen, wie lange ich durchhielt.
    Durch die klaffenden Fenster- und Türöffnungen konnte ich in die rußige Grube sehen, auf deren schwarzer Oberfläche Tausende Bandstahldauben von Whiskeyfässern lagen. Ich stellte mir fassgereiften Bourbon vor, der in brennenden weißen Eichenholzfässern explodierte, sich als Feuerstrom durch die Tür ergoss und hangabwärts auf die Ställe zufloss, die Kenneth Sparkes' kostbare Pferde beherbergt hatten. Während die Spurensicherung sich an ihre Aufgabe machte herauszufinden, wo das Feuer seinen Anfang genommen hatte und, so war zu hoffen, was seine Ursache gewesen war, stieg ich durch Pfützen und trat auf alles, das stabil genug aussah, um mein Gewicht zu tragen.
    Überall gab es Nägel, und mit einem Buckman-Universalwerkzeug, das Lucy mir geschenkt hatte, zog ich einen von ihnen aus meinem linken Stiefel. Im steinernen Rechteck einer Türöffnung in der Vorderfassade des einst herrschaftlichen Hauses blieb ich stehen. Minutenlang stand ich und schaute. Anders als viele Ermittlungsbeamte machte ich nicht ununterbrochen Fotos, wenn ich mich in einen Tatort hineinarbeitete. Ich hatte gelernt, mir die Zei t zu nehmen, meine Augen vorausgehen zu lassen. Während ich in aller Ruhe den Blick schweifen ließ, fielen mir einige Dinge auf.
    Von der Frontseite des Hauses aus hatte man -vermutlich - einen spektakulären Ausblick gehabt. Von den oberen Stockwerken, die nicht mehr existierten, sah man auf Bäume und über sanfte Hügel und konnte Pferde beobachten, die ihr Besitzer kaufte, eintauschte, züchtete und verkaufte. Man nahm an, Kenneth Sparkes sei am Abend des siebten Juni, als das Feuer ausbrach, zu Hause gewesen, und ich erinnerte mich, dass das Wetter klar und ein wenig wärmer gewesen war; es hatte nur ein schwacher Wind geweht, und es war Vollmond gewesen.
    Ich ließ meinen Blick über die leere Hülle dessen gleiten, was einmal ein prächtiges Haus gewesen sein musste, und begegnete durchweichten Couchteilen, Metall, Glas, geschmolzenen Resten von Fernsehern und anderen elektrischen Geräten. Es gab

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