Brandherd
Reverend Lloyd. »Er wollte, dass wir einander Kraft schenken und das fortsetzen, was er getan hat, das Gute stärken und das Böse verdammen, für die Opfer kämpfen und dabei selbst stark sein, die Schrecken allein ertragen, um die zarten Seelen anderer nicht zu beschädigen. Benton hat die Welt besser zurückgelassen, als er sie vorgefunden hat. Und uns als bessere Menschen zurückgelassen, als er uns vorgefunden hat. Geht hin, meine Freunde, und tut wie er.«
Er schlug eine Stelle des Neuen Testaments auf.
»Liebe Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu tun, denn zu seiner Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht verzagen«, las er. Ich fühlte mich innerlich heiß und ausgezehrt und wurde meiner Tränen nicht Herr. Ich tupfte mir die Augen mit Papiertaschentüchern und starrte in den Sand nieder, der die Spitzen meiner schwarzen Wildlederschuhe bestäubte. Reverend Lloyd berührte seine Lippen mit der Fingerspitze und trug noch meh r Verse aus dem Brief an die Galater - oder war es Timotheus' Brief? - vor. Ich vermochte dem Inhalt seiner Worte nicht recht zu folgen. Sie wurden zu einem unaufhörlichen Strom, wie Wasser, das durch ein Bachbett fließt, und ich kam nicht hinter ihre Bedeutung, während ich mich unablässig der Bilder erwehrte, die doch unweigerlich die Oberhand gewannen. Vor allem erinnerte ich mich an Benton in seiner roten Windjacke, wie er draußen am Fluss stand und aufs Wasser starrte, an jenem Tag, als ich ihn gekränkt hatte. Ich hätte alles in der Welt darum gegeben, jedes einzelne meiner unfreundlichen Worte zurücknehmen zu können. Doch er hatte Verständnis gehabt. Ich wusste das. Ich erinnerte mich an sein scharf geschnittenes Profil und den gebieterischen Ausdruck, wenn er mit anderen Menschen als mir zusammen war. Vielleicht hatten sie ihn kalt gefunden, doch in Wahrheit hatte sich hinter der harten Schale ein liebevolles, zärtliches Wesen verborgen. Ich fragte mich, ob ich jetzt wohl anders empfinden würde, wenn wir geheiratet hätten. Ich fragte mich, ob mein Unabhängigkeitsdrang wohl einem unausrottbaren Unsicherheitsgefühl entsprungen war. Ich fragte mich, ob ich falsch gehandelt hatte.
»Wohl wissend, dass das Gesetz nicht für den Rechtschaffenen, sondern für den Gesetzlosen und den Ungehorsamen, für den Gottlosen und den Sünder, für den, der das Heilige nicht achtet, für Mörder von Vätern und Mörder von Müttern, für Totschläger gemacht worden ist«, predigte der Reverend. Ich spürte, wie die Luft hinter mir in Bewegung geriet, während ich auf eine träge, trübsinnige See hinausblickte. Dann stand Sparkes neben mir, und unsere Arme streiften einander. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, sein Kinn stark und entschlossen, während er kerzengerade in seinem dunkle n Anzug neben mir stand. Er wandte sich mir zu, und aus seinem Blick sprach große Anteilnahme. Ich nickte leicht.
»Unser Freund hat Frieden und Güte gewollt.« Reverend Lloyd hatte sich einem anderen Buch zugewandt. »Er wünschte sich die Harmonie, die die Opfer, für die er sich einsetzte, nie gekannt hatten. Er wollte frei sein von Empörung und Trauer, unbehelligt von Zorn und den traumlosen Nächten des Grauens.«
Ich hörte die Rotorblätter in der Ferne, das Puckern, das nun auf alle Zeiten mit meiner Nichte verbunden sein würde. Ich blickte auf, und die Sonne war hinter den Wolken - sie tanzte den Schleiertanz - kaum zu sehen. Niemals enthüllte sie ganz, was wir uns zu sehen ersehnten. Blau schien durch die Wolken, strahlend wie buntes Glas, und die Düne in unserem Rücken erhellte sich, als die Truppen des schlechten Wetters zu meutern begannen. Das Geräusch des Hubschraubers wurde lauter, und ich blickte zurück über Palmen und Pinien und entdeckte ihn, wie er mit leicht gesenkter Nase niedriger zu fliegen begann.
»Ich will deshalb, dass die Menschen überall beten, Hände erhebend, ohne Groll und Zweifel«, fuhr der Reverend fort. Bentons Asche befand sich in der kleinen Messingurne, die ich im Arm hielt.
»Lasset uns beten.«
Lucy begann mit ihrem Anflug über die Bäume, und das Chopchop begann in den Ohren zu klopfen. Sparkes neigte sich mir zu und sagte etwas, und ich konnte ihn zwar nicht verstehen, aber die Nähe seines Gesichts tat mir wohl. Reverend Lloyd predigte, doch niemand von uns vermochte dieser Petition an den Allmächtigen noch länger seine Aufmerksamkeit zu schenken. Lucy hielt den JetRanger in niedrigem Schwebeflug jenseits des Strandes , und Gischt
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