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Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Titel: Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Bankmenschen – fast hätte ich sie geweckt, sie sollte sich genauso miserabel fühlen wie ich.
    Ich schaute angewidert auf sie hinunter. Sie lag auf dem Rükken, mit offenem Mund, und ließ beim Ausatmen abgehackte Schnarchlaute hören, beim Einatmen verschliffene Seufzer. Ihr Gesicht war rot angelaufen. Deutlich traten die geplatzten Äderchen auf ihrer Nase hervor. Im Morgenlicht konnte ich sehen, daß das violette Nachthemd eine Wäsche dringend nötig hatte. Der Anblick war abstoßend. Aber auch unerträglich jämmerlich. Niemand sollte im Schlaf den Blicken eines Außenstehenden ausgesetzt sein, schon gar niemand, der so wehrlos ist wie meine Tante.
    Mit einem Schaudern zog ich mich hastig in den hinteren Teil der Wohnung zurück. Leider vertrieb ihr Jammerbild meine Wut darüber nicht, daß sie bei mir war. Ihr hatte ich es zu verdanken, daß sich mein Kopf anfühlte, als ob jemand eine Ladung Kies daraufgekippt hätte. Noch schlimmer war, daß ich mich morgen einem potentiellen Auftraggeber vorstellen sollte. Ich wollte meine Schaubilder vervollständigen und Dias davon anfertigen lassen. Statt dessen sah es so aus, als müßte ich den Tag mit der Suche nach einer Unterkunft verbringen. Wenn das nur lang genug dauerte, mußte ich am Schluß vierfachen Überstundenzuschlag für die Dias bezahlen.
    Ich setzte mich auf den Eßzimmerboden und machte Atemübungen, ich wollte den verkrampften Magen lockern. Es gelang mir schließlich, mich soweit zu entspannen, daß ich mit den Dehnübungen für das Laufen beginnen konnte.
    Weil ich Elenas gerötetes Gesicht nicht noch einmal sehen wollte, stieg ich die Hintertreppe hinunter und holte Peppy vor Mr. Contreras’ Küchentür ab. Der alte Mann steckte den Kopf heraus und rief mir etwas zu, als ich das Tor schloß; ich tat, als hätte ich ihn nicht gehört. Es gelang mir nicht, mich ebenso taub zu stellen, als ich zurückkam – er wartete auf mich, saß mit der
Sun-Times
auf der Hintertreppe und suchte sich seine Favoriten für das heutige Pferderennen in Hawthorne aus. Ich versuchte, den Hund einfach stehenzulassen und die Treppe hinauf zu entkommen, aber er packte mich an der Hand.
    »Moment mal, Engelchen. Wer war die Dame, die Sie gestern nacht reingelassen haben?« Mr. Contreras ist Maschinenschlosser, pensioniert, ein Witwer mit einer verheirateten Tochter, die er nicht besonders gut leiden kann. In den drei Jahren, in denen wir im selben Haus wohnen, hat er sich an mein Leben gehängt wie ein Adoptivonkel – oder eher wie eine Klette.
    Ich riß mich los. »Meine Tante. Die jüngere Schwester meines Vaters. Sie hat ein Faible für alte Männer mit guter Rente, also passen Sie auf, daß Sie vollständig angezogen sind, falls sie heute nachmittag auf einen Plausch vorbeikommt.«
    Solche Bemerkungen nimmt er immer krumm. Ich bin mir sicher, er hat in seiner Zeit als Maschinenschlosser in der Fabrik viel Schlimmeres gehört – und gesagt, aber von mir verträgt er nicht einmal versteckte Anspielungen auf Sex. Er läuft rot an und wird so wütend, wie das jemandem mit seinem erbarmungslosen Hang zur guten Laune nur möglich ist.
    »Kein Grund, schmutzige Reden zu führen«, fuhr er mich an. »Ich mache mir bloß Sorgen. Und eins muß ich Ihnen sagen, Süße, Sie sollten nicht rund um die Uhr Besuche empfangen. Und wenn schon, dann sollten Sie im Hausflur nicht so laut reden, daß das ganze Haus aufwacht.«
    Am liebsten hätte ich eine lose Sprosse aus dem Treppengeländer gerissen und ihn damit geschlagen. »Ich hab sie nicht eingeladen«, kreischte ich. »Ich hab nicht gewußt, daß sie kommt. Ich will sie nicht hier haben. Ich wollte nicht um drei Uhr morgens aufwachen.«
    »Kein Grund zu brüllen«, sagte er streng. »Und selbst wenn Sie Ihre Tante nicht erwartet haben, Sie hätten oben in Ihrer Wohnung mit ihr reden können.«
    Ich klappte den Mund mehrmals auf und zu, kam aber auf keine sinnvolle Antwort. Das war richtig, ich hatte Elena im Flur festgehalten, weil ich hoffte, das werde sie so verletzen, daß sie ihren Matchsack schnappen und verschwinden würde. Aber schon gestern nacht war mir im Innersten klar gewesen, daß ich sie um diese Tageszeit nicht wegschicken konnte. Der alte Mann hatte also recht. Es stimmte mich kein bißchen fröhlicher, daß ich seiner Meinung war.
    »Okay, okay«, gab ich zurück. »Soll nicht wieder vorkommen. Jetzt lassen Sie mich in Frieden – ich habe heute viel zu tun.« Ich stapfte die Treppe zu meiner Küche

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