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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Zeit und dann noch der werte Dunworthy,
der sich mit mir über die heiligen Pflichten des Historikers
unterhalten wollte, anstatt mir zu erzählen, was ein Zetvaudee
war.
    »Bist du vom Zetvaudee?« wiederholte er.
    Ich spielte mit dem Gedanken, doch das OEL zu zücken, unter
dem Vorwand, Wales sei schließlich Ausland, doch ich glaubte
nicht, daß man 1940 schon Mikrofilme kannte. Zetvaudee. Das
konnte alles mögliche sein, vielleicht sogar ein Spitzname
für die Brandwache, und für alle Fälle sagte ich mal
›nein‹.
    Er machte einen jähen Satz an mir vorbei und spähte
durch das offene Portal. »Verdammt noch mal!« fluchte er
und kam zu mir zurück. »Wo bleiben die denn? Faules Pack,
lauter bourgeoise Schnepfen!« Und ich hatte mir eingebildet,
mich aus der Situation heraus zurechtfinden zu können.
    Er sah mich prüfend an, mißtrauisch, als glaube er mir
nicht, daß ich nicht vom Zetvaudee sei. »Die Kirche ist
geschlossen«, sagte er dann.
    Ich hielt den Umschlag hoch und erwiderte: »Ich heiße
Bartholomew. Ist Dekan Matthews da?«
    Er spähte noch einmal aus dem Portal, als rechnete er jeden
Moment mit der Ankunft der faulen bourgeoisen Schnepfen, um dann mit
dem weißen Bündel, das er umklammerte, auf sie loszugehen.
Abrupt drehte er sich um, sagte im Tonfall eines Fremdenführers
»Hier entlang, bitte«, und steuerte in den dämmrigen
Raum hinein.
    Er führte mich nach rechts, das südliche Kirchenschiff
hinunter. Gott sei Dank hatte ich mir den Grundriß
eingeprägt, andernfalls hätte die bizarre Situation
genügt, um mich aus dem Westportal hinaus und gleich wieder nach
St. John’s Wood Zurückzutreiben. Von einem vor Wut
schäumenden Kirchendiener ließ ich mich in eine totale
Finsternis führen, doch mir kam zugute, daß ich
wußte, wo ich mich befand.
    Soeben mußten wir an Nummer 26 vorbeigehen: Hunts
Gemälde ›Das Licht der Welt‹ - Jesus mit der Laterne
–, aber in der Dunkelheit konnte ich es nicht erkennen. Jetzt
hätten wir selbst eine Laterne brauchen können.
    Unvermittelt blieb er stehen, um sich wieder einmal Luft zu
machen. »Wir verlangen ja nicht das verdammte Savoy, bloß
ein paar Feldbetten. Nelson ist besser dran als wir – der liegt
wenigstens auf einem Kissen.« In der Dunkelheit schwang er das
weiße Bündel wie eine Fackel. Es war tatsächlich ein
Kissen. »Jetzt sind es vierzehn Tage her, seit wir sie
angefordert haben, aber wir schlafen immer noch auf den verfluchten
Trafalgar-Generälen, weil diese Flittchen lieber mit den Tommies
Tee trinken. Was aus uns wird, kümmert sie einen
Dreck!«
    Er schien von mir keine Antwort zu erwarten, Gott sei Dank, denn
von drei Schlüsselwörtern hatte ich höchstens eins
verstanden. Er stapfte weiter vor mir her, verließ den
Sichtkreis der einzigen kümmerlichen Altarkerze, und an einem
schwarzen Loch blieb er wieder stehen. Nummer fünfundzwanzig:
die Treppe zur Flüstergalerie, der Kuppel, der Bibliothek (der
Öffentlichkeit nicht zugänglich). Die Stufen hinauf, durch
eine Halle, wieder stehenbleiben vor einer mittelalterlichen Tür
und klopfen. »Ich muß auf sie warten«, sagte er.
»Wenn ich nicht da bin, bringen sie sie wahrscheinlich in die
Abtei. Sag dem Dekan, er soll noch mal anrufen, ja?« Dann
flitzte er die steinernen Stufen hinunter, während er sich das
Kissen immer noch wie einen Schutzschild vor die Brust hielt.
    Er hatte angeklopft, doch die Tür war massive Eiche, und der
ehrwürdige Dekan hatte es offenbar nicht gehört. Also
mußte ich noch einmal klopfen. Na schön, und der Mann, der
das Präzisionsgerät zum Fixieren hielt, mußte es auch
einen Moment lang loslassen, aber selbst wenn man weiß,
daß alles im Nu vorbei ist und daß man überhaupt
nichts merkt, fällt es einem nicht leicht zu sagen:
>Jetzt!<
    So stand ich denn vor der Tür, verfluchte die historische
Fakultät mitsamt dem werten Dunworthy und dem Computer, der den
Fehler gemacht hatte. Nur weil der Computer etwas falsch ausgedruckt
hatte, lungerte ich jetzt hier im Dunkeln vor der Tür herum, mit
nichts weiter in der Hand als dem Brief eines fiktiven Onkels, dem
ich genausowenig traute wie allem anderen.
    Sogar die alte zuverlässige Bodleyana-Bibliothek hatte mich
im Stich gelassen. Der Stapel von Nachschlagewerken, die ich
über das Balliol anforderte, liegt jetzt vermutlich in meinem
Zimmer, hundert Jahre außer Reichweite. Und Kivrin, die ihr
Praktikum bereits hinter sich hatte und mich eigentlich mit guten
Ratschlägen hätte eindecken

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