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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Reaktionen bilde ich mir aus reinem Wunschdenken bloß ein? Menschen haben die natürliche Tendenz, ihre Haustiere zu anthropomorphisieren, den Tieren also menschliche Wahrnehmungen und Absichten zuzuschreiben, wo gar keine existieren. Im Falle Einsteins, wo tatsächlich außergewöhnliche Intelligenz vorlag, war die Versuchung, in jeder bedeutungslosen Hundebewegung einen tieferen Sinn zu vermuten, sogar noch größer als normal.

    »Wir werden jetzt alle diese Bilder genau ansehen und nach Dingen suchen, die dich interessieren, und anderen, die uns helfen, zu erfahren, woher du kommst und wie du das geworden bist, was du heute bist. Jedesmal, wenn du etwas siehst, das uns helfen kann, dieses Puzzle zusammenzusetzen, mußt du uns darauf aufmerksam machen. Belle es an, lege deine Pfote darauf oder wedle mit dem Schweif.«
    »Das ist doch Unfug«, sagte Travis.
    »Verstehst du mich, Einstein?« fragte Nora. Der Retriever gab ein leises  »Wuff« von sich.
    »Das funktioniert nie«, sagte Travis.
    »Doch, es wird«, beharrte Nora.
    »Er kann nicht reden und nicht schreiben, aber er kann uns Dinge zeigen. Wenn er uns ein Dutzend Bilder zeigt, verstehen wir vielleicht nicht sofort. welche Bedeutung sie für ihn haben, welchen Bezug auf seine Herkunft und seinen Ursprung. Aber mit der Zeit werden wir eine Möglichkeit finden, sie miteinander und mit ihm in Beziehung zu bringen, und dann werden wir wissen, was er uns zu sagen versucht.«
    Der Hund, dessen Kopf Noras Hände immer noch festhielten, schielte zu Travis hinüber und wuffte wieder.
    »Fertig?« fragte Nora Einstein. Einsteins Blick kehrte zu ihr zurück, und er wedelte mit dem Schweif.
    »Also gut«, sagte sie und ließ seinen Kopf los.
    »Fangen wir an.«
    Mittwoch, Donnerstag und Freitag durchblätterten sie jeweils mehrere Stunden lang Dutzende von Druckwerken, zeigten Einstein Bilder von allen möglichen Dingen - Leuten,  Bäumen, Blumen, Hunden, anderen Tieren, Maschinen, Straßen in Städten, Überlandstraßen, Autos, Schiffen, Flugzeugen, Lebensmitteln, Anzeigen für Tausende Produkte - in der Hoffnung, er würde etwas sehen, das seine Aufmerksamkeit erregte. Das Problem war, daß er viele Dinge sah, die ihn interessierten - zu viele. Vielleicht bei hundert aus tausend Bildern bellte er, kratzte mit der Pfote, wuffte, legte die Nase darauf oder wedelte mit dem Schweif. Das, was er auswählte, war von solcher Vielfalt, daß Travis keine Methode erkennen konnte. keine Möglichkeit fand, die Dinge miteinander in Verbindung zu bringen, aus ihrem assoziativen Nebeneinander eine Bedeutung herauszulesen. Eine Automobilanzeige faszinierte Einstein, in der das Fahrzeug, das mit einem mächtigen Tiger verglichen wurde, in einem eisernen Käfg eingesperrt gezeigt wurde. Ob es nun der Wagen war, oder der Tiger, der sein Interesse erweckte, war nicht klar. Auch auf einige Computeranzeigen reagierte er, auf Anzeigen für Alpo und Purina-Hundefutter, auf eine Anzeige für einen tragbaren Stereo-Kassettenspieler, auf Bilder von Büchern, Schmetterlingen, einem Papagei, einem verzweifelten Mann in einer Gefängniszelle, vier jungen Leuten, die mit einem gestreiften Wasserball spielten, Mickey Mouse, einer Violine, einem Mann auf einem Tretwerk und vielen anderen Dingen. Die Fotografie eines Golden Retrievers machte ihn unruhig, das Bild eines Cockerspaniels versetzte ihn in hochgradige Erregung, aber eigenartigerweise zeigte er für andere Hunderassen wenig oder gar kein Interesse.
    Seine stärkste - und verblüffendste - Reaktion zeigte er bei einem Foto in einem Zeitschriftenartikel über einen in Vorbereitung befindlichen Film der 20th Century-Fox. Der Film Handelte von übernatürlichen Dingen - Gespenstern, Poltergeistern, aus der Hölle emporgestiegenen Dämonen -, und las Foto, das ihn in Aufregung versetzte, zeigte eine dämonartige Erscheinung mit mächtigen Kinnbacken, bösen Fangzähnen und glühenden Augen. Die Kreatur war nicht scheußlicher als die anderen im Film, sogar weniger scheußlich, und doch zeigte Einstein nur bei ihr Wirkung. Der Retriever bellte die Fotografie an. Er rannte hinter das Sofa und spähte dann hervor, als dächte er, die Kreatur könnte aus dem Bild steigen und seine Verfolgung aufnehmen. Er bellte wieder, winselte, und man mußte ihm gut zureden, damit er zur Zeitschrift zurückkäme. Als Einstein den Dämon das zweitemal sah, knurrte er drohend. Er kratzte mit der Pfote an dem Magazin, riß und zerrte an den Seiten, bis die

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