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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Das Haus schien jetzt gesäubert, gereinigt, exorziert. Alle bösen Geister waren ausgetrieben, und sie wußte, daß sie jetzt den Willen aufbringen würde, es völlig neu zu gestalten. Aber sie wollte das Haus nicht mehr haben, also rief sie einen Immobilienmakler an und ließ es zum Verkauf anbieten. Auch ihre alten Kleider waren weg, alle; sie besaß jetzt eine völlig neue Garderobe mit Hosen, Röcken und Blusen, Jeans, Kleidern, wie jede andere Frau. Hier und da kam sie sich in leuchtenden Farben zu auffällig vor, aber sie widerstand stets dem Drang, etwas Dunkles, Eintöniges anzuziehen. Den Mut, ihr künstlerisches Talent auf den Markt zu bringen und zu sehen, ob ihre Arbeit etwas wert war, hatte sie immer noch nicht gefunden. Travis gab ihr hier und da kleine, sehr zarte Anstöße, aber sie war noch nicht soweit, ihr zerbrechliches Ego auf den Amboß zu legen und jedem Gelegenheit zu geben, mit dem Hammer darauf einzuschlagen. Bald, aber noch nicht jetzt.
    Manchmal, wenn sie sich im Spiegel betrachtete oder ihr Spiegelbild in einem in der Sonne silbrig glänzenden Schaufenster sah, wurde ihr bewußt, daß sie tatsächlich hübsch war. Nicht schön vielleicht, nicht umwerfend wie irgendein Filmstar, aber einigermaßen hübsch. Doch schien sie unfähig zu sein, diese für sie revolutionäre Wahrnehmung bleibend zur Kenntnis zu nehmen, wenigstens nie für längere Zeit, denn die Anmut ihres Gesichts überraschte sie alle paar Tage aufs neue, wenn es ihr aus einem Spiegel entgegenblickte. Am fünften August saßen sie und Travis am späten Nachmittag am Küchentisch und spielten Scrabble, und sie hatte das Gefühl, gut auszusehen. Vor ein paar Minuten hatte sie vor dem Badezimmerspiegel wieder eine jener Entdeckungen gemacht; sie schaute in den Spiegel -und war mit ihrem Aussehen mehr denn je zufrieden. Jetzt, wieder am Scrabble-Brett sitzend, fühlte sie sich voll Schwung und Glück, wie sie das früher nie für möglich gehalten hätte. Sie fing an, unsinnige Wörter aus ihren Spielsteinen zu bilden und sie dann stimmgewaltig zu verteidigen, wenn Travis ihre Zulässigkeit in Zweifel zog.
    »Dofnup?« sagte er und musterte das Spielbrett mit gerunzelter Stirn.
    »Ein solches Wort gibt es nicht.«
    »Das ist eine dreieckige Kappe, wie sie die Holzfäller tragen«, sagte sie.
    »Holzfäller?«
    »Wie Paul Bunyan * .«
    [*   Paul Bunyan: riesenhafter Holzfäller der amerikanischen Legende, der mit Hilfe seines blauen Ochsen Babe eine Reihe übermenschlicher Taten vollbringt. - Anm. d. Ü. ]
    »Holzfäller tragen Strickmützen, ähnlich wie die Schimützen, oder runde Ledermützen mit Ohrenkappen.«
    »Ich rede nicht von den Mützen, die sie zur Arbeit in den Wäldern tragen«, erklärte sie geduldig.
    »>Dofnup< -das ist der Name der Mütze, die sie im Bett tragen.« Er lachte und schüttelte den Kopf.
    »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?« Sie sah ihn an, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Nein. Das ist wahr.«
    »Holzfäller tragen also im Bett eine besondere Mütze?«

    »Ja, den Dofnup.« Allein der Gedanke, daß Nora ihn veräppeln könnte, war ihm fremd, also fiel er darauf herein.
    »Dofnup? Warum heißt die so?«
    »Keine Ahnung«, sagte sie. Einstein lag auf dem Boden, schaute sich ein Bilderbuch an und mühte sich auch mit dem Text ab. Er konnte von Büchern einfach nicht genug kriegen. Vor zehn Tagen, als die Besessenheit des Hundes für Bücher Noras Geduld, ihm die Bücher zu halten und umzublättern, überstrapaziert war, hatten sie versucht, sich eine Vorrichtung auszudenken, die es Einstein erlaubte, die Seiten selbst umzulegen. In einem Geschäft für Krankenhausbedarf hatten sie ein Gerät gefunden, das für Patienten bestimmt war, die weder ihre Arme noch ihre Beine gebrauchen konnten. Es handelte sich um ein Gestell aus Metall, an dem man die Umschlagdeckel des Buches festklammerte; elektrisch betriebene mechanische Arme, die von drei Druckknöpfen in Bewegung gesetzt wurden, legten die Seiten um und hielten sie fest. Ein Querschnittgelähmter konnte sie mit einem Stift, den er zwischen den Zähnen hielt, bedienen; Einstein benutzte dazu seine Nase. Dem Hund schien das Ding riesiges Vergnügen zu bereiten. Jetzt winselte er leise über irgend etwas, das er gerade gesehen hatte, drückte einen der Knöpfe und wandte sich der nächsten Seite zu.
    Travis legte >gemein< auf und sammelte eine Menge Punkte, weil er ein doppelwertiges Feld benutzt hatte, worauf Nora ihre Steine dazu benutzte,

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