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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Schwangerschaft nichts zu trinken; aber unter Umständen wie diesen konnte man selbst das feierlichste Gelöbnis etwas großzügig auslegen.  Sie holten Gläser und tranken in der Praxis, wobei sie Einstein zuprosteten, der sie ein paar Minuten lang beobachtete, aber dann erschöpft wieder einschlief.
    »Diesmal ist das natürlicher Schlaf«, stellte Jim fest.
    »Nicht mittels Sedativa erzeugter.«
    »Wie lange wird er brauchen, um sich zu erholen?« fragte Travis.
    »Um die Staupe loszuwerden? Ein paar Tage noch. Eine Woche. Ich möchte ihn jedenfalls noch gern zwei Tage hierbehalten. Sie könnten jetzt, wenn Sie wollen, nach Hause gehen, aber Sie dürfen auch gerne bleiben. Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Wir bleiben«, erklärte Nora sofort.
    »Aber nachdem die Staupe besiegt ist«, sagte Travis,  »wird er doch noch schwach sein, nicht wahr?«
    »Zunächst sehr schwach«, sagte Jim.
    »Aber mit der Zeit wird er wieder zu Kräften kommen. Ich bin jetzt sicher, daß er nie in das zweite Stadium eingetreten ist, trotz der Zuckungen. Also wird er vielleic ht bis zum Jahresende wieder ganz der alte sein. Und es sollte auch keine bleibenden Schäden geben, kein Zittern oder dergleichen.« Bis zum Jahresende. Travis hoffte, es würde reichen. Wieder teilten Nora und Travis sich die Nacht in zwei Schichten auf. Travis übernahm die erste, und sie löste ihn um drei Uhr morgens in der Praxis ab.
    Der Nebel hatte sich von der See nach Carmel hereingewälzt. Jetzt wallte er beharrlich vor den Fenstern. Einstein schlief, als Nora kam, und sie fragte:
    »Ist er viel wach gewesen?«
    »Mhm«, meinte Travis.
    »Hier und da.«
    »Hast du ... mit ihm gesprochen?«

    »Ja.'
    »Und?« Travis' Gesicht war zerfurcht, schmal, sein Ausdruck ernst.

    »Ich habe ihm Fragen gestellt, die man mit Ja oder Nein beant worten kann.«
    »Und?«
    »Er beantwortet sie nicht. Er blinzelt nur oder gähnt oder  schläft wieder ein.«

    »Er ist noch sehr müde«, sagte sie und hoffte fest, dies sei die Erklärung für das unkommunikative Verhalten des Retrievers.
    »Er hat nicht einmal die Kraft für Fragen und Antworten.«
    Bleich und sichtlich deprimiert meinte Travis:
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht... Aber ich glaube ... er kommt mir... irgendwie verwirrt vor.«

    »Er hat die Krankheit noch nicht überwunden«, sagte sie.
    »Er kämpft dagegen an, aber noch ist sie stärker. Er wird noch eine Weile benommen sein.«

    »Verwirrt«, wiederholte Travis.

    »Das wird sich geben.«

    »Jaaa«, sagte er.
    »Jaaa, das wird sich geben.«
    Aber es klang, als glaubte er, Einstein würde nie wieder  werden wie früher.
    Nora wußte, was Travis jetzt dachte: Wieder der Fluch der Cornells, an den er nicht zu glauben vorgab, aber den er tief im Herzen dennoch fürchtete. Jedem, den er liebte, war es bestimmt, zu leiden und jung zu sterben. Jeder, der ihm etwas bedeutete, wurde ihm entrissen.
    Das war natürlich alles Unsinn, und Nora glaubte keinen Augenblick daran. Aber sie wußte, wie schwer es war, die Vergangenheit abzuschütteln, nur nach vorn zu blicken, und konnte es ihm nachfühlen, daß er jetzt einfach nicht optimistisch sein konnte. Und sie wußte auch, daß sie nichts für ihn tun konnte, um ihn aus diesem Abgrund persönlicher Pein zu holen -außer ihn zu küssen, die Arme um ihn zu legen und ihn dann ins Bett zu schicken, damit er etwas Schlaf bekäme.
    Als Travis gegangen war, setzte Nora sich neben Einstein auf den Boden und sagte:
    »Es gibt da ein paar Dinge, die ich dir sagen muß. Pelzgesicht. Du schläfst und kannst mich nicht hören, glaube ich, und vielleicht würdest du, selbst wenn du wach wärst, nicht verstehen, was ich jetzt sage. Vielleicht wirst  du nie wieder etwas verstehen, und deshalb sage ich es jetzt, wo es zumindest noch Hoffnung gibt, daß dein Verstand intakt ist.« Sie hielt inne, atmete tief ein und sah sich in der Praxis um, in der, abgesehen von ihren Worten, völlige Stille herrschte. Das schwache Licht spiegelte sich in den Instrumenten und den Scheiben der Schränke.
    Einsteins Atem ging regelmäßig, nur hier und da war ein leises Rasseln zu hören. Er regte sich nicht. Nicht einmal sein Schweif bewegte sich.
    »Für mich bist du ein Behüter gewesen, Einstein. So habe ich dich einmal genannt, als du mich vor Arthur Streck gerettet hast. Mein Behüter. Du hast mich nicht nur vor diesem schrecklichen Mann gerettet - du hast mich auch aus der Einsamkeit und der furchtbaren Verzweiflung geholt. Und

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