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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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guten«, sagte Nora. Vierundzwanzig Stunden später, am Sonntagabend, bewegte Einstein sich torkelnd in Jim Keenes Praxis hierhin und dorthin, als wäre er ein kleiner, alter Mann auf vier Beinen. Nora rutschte auf den Knien neben ihm auf dem Boden mit und versicherte ihm immer wieder, er sei ein tüchtiger und braver Bursche, ermunterte ihn solcherart, in Bewegung zu bleiben. Jeder Schritt, den er machte, entzückte sie, als wäre er ihr Baby, das das Gehen erlernte. Aber was sie noch weit mehr entzückte, war der Blick, den er ihr ein paarmal zuwarf: ein Blick, der Ärger über seine Schwäche auszudrücken schien, aber zugleich so etwas wie Belustigung, als wollte er sagen: He, Nora, bin ich denn ein Schaustück - oder was ? Ist das nicht lächerlich ? Am Samstagabend hatte er etwas feste Nahrung zu sich genommen und den ganzen Sonntag über an leichtverdaulichen Leckerbissen herumgeknabbert, die der Tierarzt ihm anbot. Er trank auch regelmäßig. Aber das ermutigendste an seiner Besserung war, daß er darauf bestand, hinauszugehen, um sein Geschäft zu machen. Er konnte noch nicht lange auf den Beinen stehen, von Zeit zu Zeit schwankte er, sackte ein, aber er stieß nicht gegen Wände und lief auch nicht im Kreis.
    Gestern war Nora einkaufen gegangen und hatte drei Scrabble-Spiele mitgebracht. Jetzt hatte Travis an einem Ende der Praxis die Steine auf dem Boden in sechsundzwanzig Häufchen aufgeteilt.
    »Wir sind soweit«, sagte Jim Keene. Er saß mit Travis im Türkensitz auf dem Boden. Pooka lag neben seinem Herrchen und schaute mit erstaunten Augen zu. Nora führte Einstein zu den Scrabble-Steinen. Sie nahm seinen Kopf in die Hände, schaute ihm gerade in die Augen und sagte leise:
    »Okay, Pelzgesicht. Jetzt wollen wir Dr. Jim beweisen, daß du nicht bloß ein armseliges Labortier bist, das für die Krebsforschung eingesetzt war. Jetzt wollen wir ihm zeigen, was du wirklich bist und weshalb diese bösen Menschen dich wirklich zurückhaben wollen.« Sie versuchte daran zu glauben, im Blick des Retrievers die alte Wachsamkeit wiederzuerkennen. Sichtlich nervös und beunruhigt sagte Travis:
    »Wer stellt die erste Frage?«
    »Ich«, sagte Nora, ohne zu zögern, und fragte, zu Einstein gewendet:
    »Wie geht's der Fiedel?« Sie hatten Jim Keene von der Nachricht erzählt, die Travis an dem Morgen vorgefunden hatte, an dem Einstein krank wurde - FIEDEL ZERBROCHEN -, und daher verstand der Arzt, was Nora fragte. Einstein blinzelte die Buchstaben an, blinzelte wieder, zu ihr gewendet, beschnüffelte die Buchstaben, und gerade als sie anfing, eisige Angst zu verspüren, begann er Steine auszuwählen und sie mit der Nase herumzuschieben. 
    FIEDEL BESSER. 
    Travis erschauerte, als hätte seine Angst gleichsam als eine mächtige elektrische Ladung sich in diesem Augenblick entladen. Er sagte:
    »Gott sei Dank, Gott sei Dank!« und lachte vor Begeisterung.

    »Jetzt soll mich doch der Teufel holen!« sagte Jim Keene. Pooka hob den Kopf und spitzte die Ohren, spürte, daß sich etwas sehr Wichtiges ereignete, wußte aber nicht, was.
    Nora schwoll das Herz, sie legte die Steine auf die einzelnen Häufchen zurück und sagte:
    »Einstein, wer ist dein Herrchen? Sag uns seinen Namen.«
    Der Retriever schaute zuerst sie, dann Travis an und gab dann die wohlüberlegte Antwort.
    KEIN HERRCHEN. FREUNDE.
    Travis lachte.
    »Bei Gott, das ist richtig! Niemand kann sein Herrchen sein, aber jeder sollte verdammt stolz sein, sein Freund sein zu dürfen.«
    Es war das erste Lachen von Travis seit Tagen, während Nora vor Erleichterung weinen mußte.
    Jim Keene sah mit großen Augen staunend zu und grinste dümmlich. Er sagte:
    »Ich komme mir wie ein Kind vor, das sich am Weihnachtsabend hinuntergeschlichen und tatsächlich den Weihnachtsmann dabei entdeckt hat, wie er Geschenke unter den Baum legt.«

    »Jetzt bin ich dran«, sagte Travis, rutschte nach vorn und legte Einstein die Hand auf den Kopf und tätschelte ihn.
    »Jim hat gerade Weihnachten erwähnt, und bis dahin ist es nicht mehr weit. Noch zwanzig Tage. Sag mir also, Einstein: Was soll dir der Weihnachtsmann bringen, was wäre dir am liebsten?«
    Zweimal setzte Einstein an, die Buchstaben aufzureihen, aber beide Male überlegte er es sich noch einmal. Dann torkelte er, fiel auf den Bauch, sah sich etwas dümmlich um, merkte, daß sie alle auf etwas warteten, stemmte sich wieder hoch und produzierte seine Bitte an den Weihnachtsmann.
    MICKYMAUS. 
    Sie gingen erst um zwei

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