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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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oder einer Frau viel größere Bedeutung beimessen muß als dem Fortschritt der Massen.« Der Hund wandte sich wieder den Bänden in den Regalen zu und schnüffelte, Schnüffelte unablässig,
    »Das ist doch Quatsch«, sagte Travis und stelle >Zwei Städte< wieder dorthin, woher er es genommen hatte.
    »Mein Gott, jetzt fange ich an, einem Hund Inhaltsangaben von Büchern zu liefern!« Der Retriever ließ seine großen Pfoten auf das nächste Regal fallen, bekeuchte und beschnüffelte die Literatur dieser Reihe. Als Travis keines der Bücher zur Inspektion herauszog, drehte der Hund den Kopf zur Seite, um ihn ins Regal zu bekommen, packte sachte einen der Bände mit den Zähnen und versuchte ihn herauszuziehen, um ihn besser inspizieren zu können.
    »Mann!« sagte Travis und griff nach dem Buch.
    »Ich will deinen Geifer nicht auf den Einbänden haben, Pelzgesicht. Das hier ist > Oliver Twist<. Wieder ein Dickens. Die Geschichte eines Waisenjungen im Viktorianischen England. Er läßt sich mit zwielichtigen Gestalten ein, der kriminellen Unterwelt, und sie...« Der Retriever ließ sich auf den Boden fallen und trottete zurück zu den Regalen auf der anderen Seite des Bogens, wo er fortfuhr, die in Reichweite befindlichen Bände zu beschnuppern. Travis hätte schwören mögen, daß er wehmütig zu den Büchern hinaufspähte, die höher oben standen. Vielleicht fünf Minuten lang, von gespenstischer Vorahnung erfaßt, daß gleich etwas von welterschütternder Bedeutung geschehen werde, folgte Travis dem Hund, zeigte ihm die Umschläge von einem Dutzend Romanen und lieferte dazu jeweils in ein, zwei Sätzen eine Kurzbeschreibung des Inhalts. Er hatte keine Ahnung, ob es das war, was der altkluge Köter wollte. Ganz bestimmt konnte er die Zusammenfassungen, die er ihm lieferte, nicht verstehen. Und doch schien er ihm wie gebannt zuzuhören. Er wußte, daß er zielloses, tierisches Verhalten grundsätzlich falsch auslegte, dem Hund komplexe Absichten zuschrieb, die die5er gar nicht hatte. Trotzdem verspürte er das Prickeln einer Vorahnung im Nacken. Und während ihre eigenartige Suche weiterging, erwartete Travis fast, es werde jeden Augenblick irgendeine verblüffende Offenbarung geben - und kam sich gleichzeitig immer einfältiger und alberner vor. Travis' Geschmack bezüglich Romanliteratur war weitgespannt. Unter den Bänden, die er von den Regalen nahm, waren Bradburys >Das Böse schleicht auf leisen Sohlen< und Chandlers >Der lange Abschiede Cains >Die Rechnung ohne den Wirt< und Hemingways >Inseln im Sturm<. Zwei Bücher von Richard Condon und eines von Ann Tyler. Dorothy Sayers' >Mord braucht Reklame< und Elmore Leonards >52 Pick-up<. Endlich wandte sich der Hund von den Büchern ab und trottete in die Mitte des Raumes, wo er sichtlich erregt hin und her wanderte. Dann blieb er stehen, schaute Travis an und bellte dreimal.
    »Was ist denn. Junge?« Der Hund winselte, schaute zu den überladenen Regalen hin, wanderte im Kreis, blickte wieder hin zu den Büchern. Er schien enttäuscht zu sein. Zutiefst enttäuscht.
    »Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun soll, Junge«, sagte Travis.
    »Ich weiß nicht, worauf du/aus bist, was du mir sagen willst.« Der Hund schnaubte und schüttelte sich. Dann senkte er niedergeschlagen den Kopf, kehrte resigniert zum Sofa zurück und ringelte sich auf den Kissen ein.
    »Ist das alles?« fragte Travis.
    »Geben wie jetzt einfach auf?« Den Kopf flach auf das Sofa legend, musterte er Travis mit feuchten, seelenvollen Augen. Travis wandte sich von dem Hund ab und ließ den Blick langsam über die Bücher wandern, so als würden diese nicht nur die Informationen liefern, die auf ihren Seiten gedruckt standen, sondern als enthielten sie auch eine wichtige Botschaft, die nicht so leicht abzulesen war: als wären ihre bunten rücken fremdartige Runen einer lange vergessenen Sprache, die, einmal entziffert, wunderbare Geheimnisse offenbaren würden. Aber er konnte sie nicht entziffern. Travis, der geglaubt hatte, er stehe an der langen Schwelle einer großen Entdeckung, fühlte sich ungeheuer im Stich gelassen, Seine eigene Enttäuschung war noch viel schlimmer als das, was der Hund hier geliefert hatte; er konnte sich nicht so wie der Retriever einfach auf dem Sofa einrollen, den Kopf in die Kissen drücken und das Ganze vergessen.
    »Was, zum Teufel, sollte das alles?« fragte er. Der Hund blickte unergründlich zu ihm auf.
    »Hatte das Getue mit den Büchern irgendeinen Sinn?«

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