Brandzeichen
Hund und meinte schließlich, mehr zu sich selbst, als zu dem Tier gewendet:
»Okay, dann hat dir also jemand beigebracht, wie man eine Kühlschranktür aufkriegt. Er hätte dir sogar beibringen können, eine bestimmte Biersorte zu erkennen, sie von anderen Sorten zu unterscheiden und sie herbeizuholen. Aber ein paar Rätsel bleiben da trotzdem noch offen. Ist es wahrscheinlich, daß die Marke, die sie dir eingebleut haben, dieselbe ist, die ich in meinem Kühlschrank habe? Möglich, ja, aber nicht wahrscheinlich. Außerdem hab' ich dir nichts befohlen. Ich habe nicht gesagt, du sollst mir ein Bier holen. Du hast es von selbst getan, so als hättest du gedacht, ein Bier wäre genau das, was ich im Augenblick brauche. Und so war es auch.«
Travis stellte eine Dose auf den Tisch. Die andere wischte er an seinem Hemd sauber, ließ den Verschluß knacken und nahm ein paar Schlucke, daß der Hund die Dose im Maul gehabt hatte, störte ihn nicht. Die erstaunliche Vorführung des Tieres erregte ihn zu sehr, als daß er sich wegen Bakterien Sorgen gemacht hätte. Außerdem hatte der Retriever beide Dosen an der Unterseite gepackt, als wäre er um Hygiene besorgt gewesen.
Der Retriever beobachtete ihn beim Trinken. Als er das Bier zu einem Drittel getrunken hatte, sagte Tra vis:
»Es hat ja gerade so ausgesehen, als hättest du verstanden, daß ich nervös war, unruhig, und ein Bier mir helfen würde, mich zu entspannen. Jetzt frag' ich dich: Ist das verrückt oder was sonst? Wir reden hier von analytischem Denken. Okay, Tiere können also häufig die Stimmung ihrer Herren fühlen. Aber wie viele Tiere wissen, was Bier ist, und wie viele begreifen, daß es ihren Herrn und Meister freundlicher stimmt? Und außerdem, woher wußtest du, daß Bier im Kühlschrank ist? Du könntest es irgendwann am Abend gesehen haben, als ich das Essen zubereitete. Aber trotzdem...«
Seine Hände zitterten. Er trank wieder. Die Dose stieß klap pernd gegen seine Zähne. Der Hund ging um den Tisch mit dem roten Kunststoffbelag herum und zu den zwei Türchen unter dem Ausguß. Er machte eines davon auf, steckte den Kopf in die dunkle Öffnung, holte den Beutel mit Hundekuchen heraus und brachte ihn Travis. Der lachte und sagte:
»Nun, wenn ich ein Bier kriege, dann hast du dir wohl auch einen Leckerbissen verdient, was?« Er nahm dem Hund den Beutel weg und riß ihn auf.
»Du meinst, ein paar Hundekuchen könnten dich aufheitern. Pelzgesicht?« Er stellte den offenen Beutel auf den Boden.
»Bedien dich selber. Ich verlass' mich darauf, daß du dich nicht überfrißt wie ein gewöhnlicher Hund.« Er lachte wieder.
»Verdammt, ich glaube, ich könnte dir sogar meinen Wagen anvertrauen!« Der Retriever holte sich ein Stück Hundekuchen aus der Packung, setzte sich mit gespreizten Hinterbeinen hin und zerbiß es krachend. Travis zog sich einen Stuhl hervor, setzte sich an den Tisch und sagte:
»Du bringst mich so weit, daß ich an Wunder glaube. Weißt du, was ich heute morgen im Wald gemacht habe?« Der Hund war völlig auf seinen Hundekuchen konzentriert und schien für den Augenblick jegliches Interesse an Travis verloren zu haben.
»Das war für mich eine Art empfindsamer Reise; ich hoffte die Freuden wiederzufinden, die mir die Santa Anas, als ich ein Junge war, bereiteten, damals, bevor... alles so dunkel wurde. Ich wollte ein paar Schlangen schießen, wie ich das als Junge tat, ein Stück marschieren, die Gegend erforschen und wie in alten Tagen einssein mit der Natur. Denn schon eine ganz Zeit lang ist mir ziemlich egal gewesen, ob ich lebe oder sterbe.«
Der Hund hörte zu kauen auf, schluckte und wandte Travis seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu.
»In letzter Zeit waren meine Depressionen schwärzer als Mitternacht auf dem Mond. Weißt du, was Depressionen sind, Köter?« Der Retriever stand auf, als wären die Hundekuchen vergessen, und kam zu ihm. Er schaute ihm mit jener entnervenden Tiefe und Direktheit in die Augen, wie er das schon vorher getan hatte. Travis wich dem Blick nicht aus und sagte:
»Wenn ich auch nicht an Selbstmord dachte. Zum einen bin ich als Katholik erzogen, und obwohl ich schon eine Ewigkeit nicht mehr in der Kirche gewesen bin, habe ich mir doch meinen Glauben bewahrt, zum Teil wenigstens. Und für einen Katholiken ist Selbstmord eine Todsünde. Mord. Außerdem bin ich zu stur und zäh, um aufzugeben, ganz gleich, wie schwarz die Dinge sind.« Der Retriever blinzelte, löste aber den Blick
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