Brans Reise
Rauschen der Wellen und sein Hals öffnete sich und schluckte Luft und Wasser. Nach ein paar Armzügen hatte er die Schäre erreicht. Er klammerte sich mit einer Hand an den Spalten der rauen Steine fest, während die andere die Muschel umklammerte. Velar stand noch immer dort. Der Regen und die Gischt peitschten auf seine goldene Haut ein. Auch er hatte eine Muschel in der Hand. Sie war kleiner.
»Ich werde gewinnen, Bran!« Velar brüllte durch den Wind. »Beravs Wille ist der Norden! Ich werde der nächste Häuptling werden!«
Der erschöpfte Mann zog sich auf die Steine und ritzte sich die Schenkel an den Muscheln blutig, als er aus den Wellen emporkletterte. Mit unsicheren Beinen richtete er sich auf.
»Gib auf, Bran!« Velar deutete zum Strand. »Sieh, Hagdar hat kehrtgemacht!«
Er warf einen Blick auf den fernen Strand. Hagdars schwarzer Kopf tauchte aus einer Welle auf. Seine Arme peitschten das Wasser in Richtung Ufer.
»Warte hier«, sagte Velar. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Ich werde jemanden bitten, dich mit einem Boot abzuholen. Du wirst mich niemals einholen, Halbohr!«
»Ich heiße Bran!« Er hob die Muschel vor die Augen des anderen Mannes. »Und Beravs Wille ist noch längst nicht entschieden!«
Velars Mundwinkel zuckten, doch dann klemmte er die Muschel zwischen seine Zähne und sprang, die Arme nach vorne gestreckt, ins Wasser. Bran tauchte dicht neben ihm in die Wellen ein. Die Muschel war groß und zwang ihn, seinen Mund weit zu öffnen, um sie mit den Zähnen festzuhalten. Salzwasser drückte in seinen Hals, so dass er sich erbrechen musste. Schon nach wenigen Wellen sah er, dass Velar einen Vorsprung hatte. Seine langen Arme peitschten das Wasser wie Ruder. Bran schluckte die Schmerzen hinunter und zwang seine Arme und Beine, sich stärker abzustoßen und noch mehr Wasser nach hinten zu drücken. Er durfte jetzt nicht verlieren. Lieber sollte ihn das Meer holen. Wieder brach eine Welle über ihm. Bran rollte sich zum Atmen auf die Seite, ehe ihn das Meer nach unten zog. Er sank unter die Wasseroberfläche, öffnete die Augen und sah, dass er bereits bis in die Tiefe des Tangs abgesunken war. Das Wasser war so klar, dass er den sandigen Boden und die wenigen Steine unter sich erkennen konnte, an denen sich der Tang festklammerte. Mit der Luft, die er noch in seinen Lungen hatte, schwamm er unter Wasser weiter und tauchte kurz hinter Velar auf. Er konnte nicht aufgeben, nicht jetzt, da er sah, dass der Strand näher kam. Die Brandung brüllte im Wind und schleuderte ihre Gischt in den Himmel. Drei Wellen noch, dachte er. Er musste im richtigen Moment in die letzten drei Wellen vor dem Strand hineinschwimmen, sonst würden sie ihn wieder aufs offene Meer hinaustragen.
Velar strampelte mit den Beinen, vergrößerte den Vorsprung und verschwand schon in der ersten Brandungswelle. Zwei Körperlängen hinter ihm schwamm Bran in den Schaum der sich überschlagenden Welle. Er streckte seine Arme nach vorn und schloss die Augen. Das aufgewühlte, sandige Wasser drückte ihn zu Boden. Er klammerte sich fest und wartete, während die Welle an ihm riss und zerrte. Dann beruhigte sich das Wasser, was ihm zeigte, dass sich jetzt das Wellental über ihm befand. Da warf er sich in die nächste Welle. Wieder vergrub er seine Hände im Sand und wehrte sich mit aller Kraft gegen den Sog, als das Wasser über ihm zurückströmte. Bran glaubte, etwas über sich gespürt zu haben, als habe ihm etwas über den Rücken gestrichen. Doch da senkte sich das Meer um ihn herum und die letzte Welle schwoll an. Er stürzte sich in sie hinein, schob seine Hände in den Sand und widerstand der Versuchung, an Land zu krabbeln, denn er wusste, dass das Meer ihn dann wieder hinausschieben würde. Mit einem Mal zog sich die Welle zurück, so dass er aufstehen konnte. Er spuckte Salzwasser und Sand, als er die Muschel aus dem Mund nahm und auf die Zuschauer zuwankte. Turvi kam ihm entgegen. Bran sah nicht, ob er bereits eine Muschel in den Händen hielt, denn Wasser rann ihm über die Stirn und in die Augen. Er streckte dem Einbeinigen die Hand entgegen, fiel auf die Knie und kroch weiter. Als Turvi sich endlich hinabbeugte und die Muschel nahm, ließ sich Bran auf die Seite fallen. Krämpfe durchzuckten seinen Körper und er musste sich erneut erbrechen. Schleim rann an seinen Mundwinkeln herab, doch er vermochte ihn nicht wegzuwischen. Er rollte sich auf den Rücken und ließ seine Brust so viel
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