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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Absatz seiner Milliarden Kaffeebohnen die ganze Handelsbilanz aufgebaut, beginnt diese gefährlich zu wanken, und dies zwingt Brasilien, sich umzustellen und wenigstens einigen dieser industriellen Unternehmungen sich zuzuwenden. Einmal eingesetzt, wirkt sich dieser Impuls kräftig aus; während all der Jahre, da das unselige Europa durch Kriegsangst und Kriegsvorbereitungen ständig gehemmt ist, werden nun eine Anzahl maschineller und handwerklicher Artikel, die vorher von Europa bezogen werden mußten, im Lande selbst hergestellt und eine gewisse Autarkie vorbereitet. Wer dann nach einigen Jahren Abwesenheit wieder nach Brasilien kam, war erstaunt zu sehen, wieviele vormals ausländische Artikel schon durch inländische ersetzt worden waren, wie unabhängig auch sich in den organisatorischen Maßnahmen das Land von fremden Instruktoren und Direktoren in so kurzer Frist zu machen wußte. Dank dieser Vorbereitung traf der Zweite Weltkrieg die brasilianische Wirtschaft nicht mehr so frontal wie der Erste. Auch diesmal war ein Preissturz des Kaffees und vieler anderer Kolonialprodukte unvermeidlich, aber der neuerliche Abbruch der Kaffeekonjunktur verödete nicht São Paulo, wie einstens das Aufhören des Goldes die Städte von Minas Gerais und die Gummikatastrophe Manaus. Schon hatte die Wirtschaft die Weisheit des alten englischen Sprichworts gelernt, daß man nicht alle Eier in einem einzigen Korb tragen solle, und sich auf eine solidere Basis gestellt als den eines einzigen, allen Weltmarktschwankungen unterworfenen Monopol- oder Zentralartikels. Das Gleichgewicht blieb erhalten, weil der Verlust auf der einen Linie kompensiert werden konnte durch die scharf ansteigende Konjunktur der Industrie, die ein Großteil dessen, was sie vordem aus Deutschland und den anderen abgesperrten Ländern beziehen mußte, nun im eigenen Lande und aus eigenem Material in immer größeren Dimensionen erzeugt. Wie die Napoleonkriege indirekt die politische Unabhängigkeit, so hat Hitlers Krieg die Industrie Brasiliens geschaffen, und genau wie seine politische, so wird sich dieses Land wohl auch die ökonomische durch die Jahrhunderte zu erhalten wissen.

    Aus der Gegenwart einen Blick in die Zukunft zu tun, ist immer bedenklich. Mit seinen fünfzig Millionen Menschen und seinem riesigen Raum eine der großartigsten Kolonisationsleistungen der Menschheit, steht Brasilien heute doch erst im Anfang seiner Entwicklung. Noch lange sind die Schwierigkeiten nicht überwunden, die sich seinem endgültigen Aufbau entgegenstellen, und trotz der gewaltigen Leistung sind manche dieser Schwierigkeiten noch immer beträchtlich. Um diese durch Jahrhunderte getane Leistung richtig einschätzen zu können, fordert die Gerechtigkeit, auch die Hemmungen in Betracht zu ziehen, die sich ihr entgegensetzten und noch immer entgegensetzen; es gibt kein besseres Maß für die Willenskraft eines Menschen wie eines Volkes, als die Schwierigkeiten, die bei seiner physischen oder moralischen Leistung zu überwinden sind.
    Von den beiden Hauptschwierigkeiten, die Brasilien gehemmt haben, das volle Ausmaß seiner potentiellen Kräfte einzusetzen, liegt eine offen zutage, während die andere sich zunächst dem oberflächlichen Blick verbirgt. Die geheime und darum tückischere Gefahr für die volle Auswirkung seiner Energien liegt im Gesundheitszustand der Bevölkerung, der von den Regierungsstellen weder verschwiegen noch unterschätzt wird. Brasilien, dieses friedlichste Land, hat einige erbitterte Feinde im Innern, die ihm alljährlich soviele Menschen rauben oder schwächen, wie in einem kriegführenden Lande ein Feldzug. Es muß ständig kämpfen gegen Milliarden winziger und kaum sichtbarer Wesen, gegen Bazillen und Mücken und andere tückische Krankheitsträger.
    Der Hauptfeind ist heute noch immer die Tuberkulose, die an die zweimalhunderttausend Menschen jährlich, also ganze Armeekorps, dem Lande wegrafft. An und für sich scheint der brasilianische Mensch, weil zart geartet, dieser »peste branca«, dieser weißen Pest wehrloser ausgeliefert. Dazu kommt, besonders im Norden, Unterernährung oder vielmehr falsche Ernährung innerhalb eines Landes, das von Lebensmitteln strotzt. Eine kräftige Gegenaktion der Regierung hat bereits eingesetzt, um wenn schon nicht der Krankheit selbst, so doch ihrem Verbreitungsfaktor Einhalt zu gebieten, und diese Kampagne dürfte in den nächsten Jahren noch verstärkt werden. Aber wenn nicht die Medizin, die moderne

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