Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss
deine Sachen zur Wäscherei zu geben.«
»Wer sprach hier vom Schimpfen? He, Fiedchen! Laß mich mal den Koffer oben auf deine Kisten schmeißen, du kriegst nachher auch einen Fünfziger.«
»Gehn Sie bloß, Herr Dieters«, grinste Fiedchen vom Kaufmann. »Ich bring Ihnen das Ding schon ins Haus!« Ich hing an Vatis Arm. Rechts und links grüßten die Leute. »Na, Benno, endlich wieder im Land?« - »Sieh mal, unser Maler ist wieder da!« - »Ach, Herr Dieters, Sie waren aber lange weg!« - »Na, Benno, alter Ausreißer? Nun kann man doch endlich mal wieder eine anständige Skatrunde zuammenkriegen!« Ja, Vati ist beliebt. Überall hat er Freunde.
Ich hatte tatsächlich Herzklopfen. Wenn zu Hause nur alles richtig klappte! Unsere Dekorationen waren wunderbar. Der rote Papierteppich von der Haustür durch den Vorgarten bis zum Straßenrand wirkte sehr feierlich. Tante Eddas Lied war zweistimmig eingeübt - wir hatten Inken als Stütze heranziehen müssen, denn sie war in der Schule immer der Trost des Gesanglehrers gewesen. Wenn bloß die beiden Kleinen ihre Aufgabe schafften! Inkens Schwesterchen und unsere Lillepus hatten drei Tage geübt. Die kleine Merve war sieben; sie verstand wohl die Wichtigkeit ihrer Aufgabe. Bei Lillepus waren wir weniger sicher. Aber wir hatten ihr feierlich versprochen, wenn sie alles richtig machte und die Blumen hübsch streute, würden wir nachher ihr Körbchen mit lauter Bananen füllen, und die dürfte sie ganz allein essen. Da Bananen ihre große Leidenschaft sind, bestand also die Hoffnung, daß sie sich Mühe gab.
Wir hatten allerdings nicht damit gerechnet, daß sämtliche Nachbarn und eine Menge Sommergäste vor lauter Neugier stehenbleiben würden, als sie die Aufmachung vor dem Haus sahen. Als wir ankamen, gebeugt unter dem Gewicht der väterlichen MalUtensilien, standen mindestens dreißig Menschen vor unserem Haus. Es wurde gelacht, gegrüßt, gerufen: »Unser großer Maler, der Benno Dieters, dreimal hoch!«
Bernadette hockte neben den Kleinen, und als Vati einen Fuß auf das rote Kreppapier setzte, gab sie ihnen einen Schubs, und siehe da, es ging großartig! Daß die Kleinste der weißgekleideten Jungfrauen vor lauter Eifer ihr Körbchen umdrehte, so daß die Gänseblümchen wie ein Häufchen dalagen, war kein Unglück. Die Jungfrauen trippelten vor Vati; sie waren zum Fressen süß in ihren weißen wippenden Röckchen, Bernadettes Filmkamera mit »Deutsches Fernsehen« auf einem Pappschild schnurrte. Ich war wie der Blitz auf meinem Platz im »Chor«, und als Vati, verwirrt und lachend und eigentlich auch ein bißchen gerührt, zur Tür kam, stimmten wir einigermaßen gleichzeitig an:
»Nun ist der Maler da!
Und jeder Insulaner ist nun froh, weil hier du bist.
Hurra, hurra, hurra!« Und so weiter! Es war die Melodie »Ein Jäger aus Kurpfalz«, und so kam, was kommen mußte: Die Leute auf der Straße sangen mit, allerdings ohne Tante Eddas Text, nur mit »Da-da, tra-la«. Und dann erschien von links eine Nachbarin mit zwei Weinflaschen und einem Korb voller Gläser, auch von rechts tauchten Inkens Eltern mit einer ähnlichen Ausrüstung auf. Ich merkte, daß ich als Sängerin entbehrlich war, und lief in den Keller. Wir hatten doch auch ein paar Flaschen als eiserne Ration, wie Paps immer sagt. Und eins, zwei, drei, war der Vorgarten voller Menschen - der »rote Teppich« war nach wenigen Minuten in roten Fetzchen über den ganzen Garten verstreut. Es wurde gelacht, gesungen, angestoßen, auf die Schultern geklopft, und Vati stand mitten im
Gewühl, zerzaust, reisemüde und strahlend glücklich!
»Ihr seid mir eine Bande!« seufzte Vati.
Unsere improvisierte Gesellschaft war zu Ende. Lillepus hatte noch mal märchenhafte Mengen Bananen in Aussicht, falls sie all die roten Papierfetzen aus dem Garten zusammenklaubte. Wir waren an dem festlich gedeckten Tisch zur Ruhe gekommen, und das »fette Kalb« war schon halb verzehrt.
»Wem, in aller Welt, ist diese verrückte Idee gekommen?« fragte Paps.
»Mir«, sagte Bernadette schuldbewußt. Vati hob sein Glas und lächelte Bernadette zu. »Sie sind ein Mädchen nach meinem Geschmack!« lachte er. »Ich liebe Menschen, die solchen Unsinn machen können! Prost, Frau Bernadette! Ja, denken Sie bloß nicht, daß ich es mir nehmen lasse, einen so hübschen Namen zu gebrauchen. Außerdem sind Sie ja so klein und jung - ich könnte glatt Ihr Vater sein!«
»Sei froh, daß du es nicht bist!« sagte ich. »Bernadette ist
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