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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Tante Edda.
    »Die armen Eltern«, sagte Ellen. »Wie ist so was bloß möglich?« fragte Bernadette. »Vielleicht sind sie milieugeschädigt«, meinte ich. »Durchaus nicht immer!« sagte Ellen. »Weißt du, neulich gab es einen ähnlichen Fall in Dänemark, und das Erschütternde war, daß alle Mitglieder der Jugendbande aus sogenannten guten Kreisen kamen. Aus geordneten Verhältnissen, wie man sagt. Wer so was begreifen kann!«
    »Geordnete Verhältnisse«, wiederholte Bernadette langsam. »Ja, wenn ein Mann eine gute Stellung hat und genug verdient, wenn er seinen Kindern anständige Kleidung und zweckmäßiges Essen und eine Schulausbildung verschafft, wenn er seine Steuern zahlt und kein Trinker ist, dann meint man, sein Kind komme aus geordneten Verhältnissen. Die Frage ist bloß, hat dieser Mann - ich meine, haben die Eltern auch etwas für die Seele des Kindes getan? Haben sie sich genug um das Kind gekümmert, haben sie ihm alle seine Fragen beantwortet, Verständnis für seine kleinen Interessen gezeigt? Haben sie versucht, sich in das Gedankenleben ihres Kindes hineinzuversetzen?«
    »Viele bestimmt nicht«, sagte ich. »Aber wenn auch nicht, die einfachsten Moralbegriffe kriegt ein Kind doch durch die Schule und auch durch - nun, durch die sogenannten geordneten Verhältnisse im Elternhaus mit.«
    »Sie kriegen es mit, ja«, sagte Tante Edda. »Aber machen sie es mit? Wie leicht kann der junge Mensch durch ein Erlebnis in Widerstand gegen die Moralbegriffe geraten! Ein lebhaftes Kind ist voll Wißbegier und Unternehmungslust, ein junger Mensch hat oft überschüssige Kraft in sich. Wenn er dann nicht gelernt hat, in welche Bahnen diese Kraft geleitet werden soll, dann - ja dann geht es vielleicht wie mit einem Fluß, der plötzlich zu viel Wasser führt: Er überschwemmt das Land und richtet Unheil an. Wäre aber das Wasser rechtzeitig in die richtige Bahn gelenkt worden, so wäre seine gewaltige Kraft ein Segen geworden und hätte Nutzen gebracht statt Schaden.«
    »Und dann«, sagte Ellen, »die vielen berufstätigen Mütter! Ja, ich weiß, daß viele Mütter mitverdienen müssen, aber wenn es irgend geht, sollte eine Mutter doch bei den Kindern bleiben.« Bernadette nickte.
    »Genau das sagt mein Mann auch. Im ersten Jahr meiner Ehe habe ich ab und zu meinen Beruf ausgeübt, aber seit Lillepus da ist. «
    »Was für einen Beruf hattest du eigentlich?« fragte ich. Bernadette lächelte.
    »Ich werde es euch anvertrauen, wenn ihr mir hoch und heilig versprecht, es keinem Menschen zu verraten!«
    »War es denn so schlimm? Warst du etwa Bardame in einem berüchtigten Nachtklub?« fragte Ellen. »Oder Striptease-Girl?« schlug ich vor. Bernadette lachte hell auf.
    »Ja, mindestens! Nein, Kinder, ich war Hausschneiderin.«
    »Hausschnei.? Aber warum in aller Welt soll das ein Geheimnis bleiben?«
    »Verstehst du das nicht?« schmunzelte Tante Edda. »Wenn das morgen beim Kaufmann erwähnt wird, haben wir vor dem Mittagessen schon dreißig Frauen hier, die mit Modezeitungen, Stoffen und flehenden Bitten ankämen!«
    »Einunddreißig«, sagte ich. »Ich habe den allerschönsten Mantel von Omi geerbt und weiß keinen Menschen, der ihn umarbeiten kann.«
    »Na, dann her damit!« sagte Bernadette.
    Ich ließ es mir nicht zweimal sagen. Fünf Minuten später stand Bernadette mit dem Maßband in der Hand bereit, Ellen wühlte im Nähkasten nach dem Trennmesser, und wir hatten die Probleme der Halbstarken vergessen. Vorläufig.

5.
    Vati war da.
    Ein bißchen müde, ein bißchen abgespannt; ich entdeckte sogar ein paar neue graue Haare an seinen Schläfen. Aber er war strahlend glücklich, wieder daheim zu sein.
    »Nanu, bist du allein!« fragte er auf dem Kai nach der ersten Begrüßung. »Wo ist dein ganzer Frauenverein?«
    »Zu Hause. Sie schlachten das fette Kalb«, sagte ich. »Außerdem meinten sie, es wäre am schönsten für uns beide, wenn ich allein dich abholte.«
    »Eigentlich haben sie ja recht«, sagte Vati. »Na, du schlimmes Gör, du hast also doch das Haus mit Menschen gefüllt.«
    »Fängst du gleich zu schimpfen an, alter Brummbär?«
    »Gar nicht. Ich bin sehr gespannt auf deine Menagerie. Wo ist der Ponywagen?«
    »Zu Haue, in Jans Wagenschuppen. Ich dachte, das bißchen könnten wir wohl tragen.«
    »Was bist du bloß für ein Dummkopf! Zuerst verlangst du allerlei Mitbringsel von mir. Außerdem solltest du wissen, daß ich andauernd neue Hemden und Strümpfe kaufe. «
    »Weil du vergißt,

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