Braut wider Willen
Portia!«
»Wirklich?« Phoebe warf die Decken von sich und raffte sich auf. Ihre Schmerzen ließen wie durch ein Wunder augenblicklich nach.
»Sieh, das ist Juno«, sagte Olivia aufgeregt. Sie nahm Phoebes Umhang vom Wandhaken und warf ihn ihr zu. »Nimm das. Anziehen kannst du dich später.«
Phoebe bedurfte dieser Aufforderung nicht. Sie warf den Umhang um die Schultern und schlüpfte, bereits zur Tür hüpfend, in Hausschuhe.
Kapitel 5
Als eine Woche darauf Cato an einem verregneten Morgen die große Halle betrat, glaubte er einen verblüfften Augenblick lang, das falsche Haus betreten zu haben, so sehr wurde er an ein Tollhaus erinnert.
Die Erklärung tauchte in Gestalt einer riesigen senffarbenen Hündin auf. Wer sie einmal gesehen hatte, vergaß Juno nicht so leicht, und Cato war ihr bei mehreren erinnerungswürdigen Gelegenheiten begegnet. Das aufgeregte Gebell, mit dem sie dem Herrn des Hauses entgegensprang, verriet, dass sie sich wohlgelitten fühlte.
»Sitz!«, befahl Cato leise und in befehlsgewohntem Ton.
Juno ließ sich mit lautem Seufzen zu seinen Füßen nieder und blickte mit hängender Zunge zu ihm auf.
Nachdem er diese Situation bewältigt hatte, wandte Cato seine Aufmerksamkeit den übrigen Insassen des Irrenhauses zu. Zwei kleine Jungen rutschten übermütig sein Treppengeländer herunter, landeten auf dem Boden und rafften sich sofort auf, um erneut die Treppe hinaufzulaufen. Ein noch kleineres Mädchen folgte ihnen langsamer und mit einer Entschlossenheit, die Cato nur bewundern konnte. Die Buben ignorierten die Kleine, bis sie die oberste Stufe erreicht hatte und einer sie hochhob und sich abmühte, sie aufs Geländer zu setzen.
Der Moment zum Einschreiten war gekommen. Cato erreichte den oberen Treppenabsatz im Nu und hob das Mädchen just in dem Moment vom Geländer, als es durch eine hilfreiche brüderliche Hand im Rücken in Bewegung gesetzt werden sollte.
Cato begutachtete Rufus Decaturs natürliche Söhne mit einer hochgezogenen Braue. Sie starrten ihn mit den hellblauen Augen ihres Vaters unter struppigen roten Locken an.
»Das war keine gute Idee«, erklärte Cato.
»Aber Eve mag es«, eröffnete ihm einer der beiden ernsthaft. »Sie weint, wenn sie nicht mitmachen darf.«
»Eindeutig die Tochter der Mutter«, murmelte Cato. Auf dem Arm das Kind, das zufrieden duldete, von einem Fremden gehalten zu werden, ging er wieder die Treppe hinunter. Unten angekommen bemerkte er seine eigenen zwei kleinen Töchter, die mit Augen groß wie Untertassen auf der einen Seite der Halle standen, sichtlich zu schüchtern, um sich am allgemeinen Tumult zu beteiligen. Obschon ein oder zwei Jahre älter, fehlte Dianas Töchtern die Waghalsigkeit von Portias Tochter, was die beiden freilich nicht daran hinderte, fasziniert und neiderfüllt zuzusehen.
Sie traten vor, als Cato sie zu sich winkte, und knicksten schüchtern, um dann wieder die Treppe hinaufzulaufen, in ihr eigenes Reich. Eve drehte und wand sich in seinen Armen, damit er sie absetzte. Offenbar wollte sie den anderen folgen.
Cato ließ sie nicht los. »Portia!«, rief er laut und hallend.
Eine Tür auf der rechten Seite der Halle wurde aufgerissen, und eine schmale junge Frau mit grellroter Haarmähne, Unmengen von Sommersprossen und mit hellgrünen Augen schien förmlich in die Halle zu stürmen. Sie trug Reitbreeches aus Leder, Stiefel, ein weißes Leinenhemd und ein Wams. Für Cato war diese Aufmachung nicht ungewohnt. Portia Worth war auf einem Schlachtfeld getraut worden, in Breeches, einen Degen an der Seite.
»Ach, Lord Granville, ich muss um Vergebung bitten. Hätte ich geahnt, dass Ihr eintrefft, ich hätte sie nicht so herumtoben lassen. Ihr habt Euch sicher gefragt, ob Ihr in das richtige Haus geraten seid.« Sie kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
Cato ergriff ihre Hand und beugte sich über seine Nichte, um ihr einen Kuss zu geben. »Ja, der Gedanke lag nahe.«
»Da es regnet, konnten sie nicht ins Freie.« Portia lieferte die Rechtfertigung mit einem fröhlichen Lächeln.
»Sie standen im Begriff, die Kleine über das Treppengeländer in ihr Verderben rutschen zu lassen.« Er sah sie neugierig an. Die Ehe mit dem Earl of Rothbury hatte die illegitime Tochter seines Halbbruders nicht sichtbar verändert. Sie sah nicht anders aus als das knochige, halb verhungerte Geschöpf, das sein Haus in jenem denkwürdigen ersten Kriegswinter auf den Kopf gestellt hatte.
»Ach, sie gehen sehr vorsichtig mit ihr um«,
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