Bravo, liebes Hausgespenst!
lange dauern würde, bis ihre älteren Geschwister von der Schule heim kamen.
„Ich fühle mich ganz komisch.“
Monika legte ihrer Mutter die Hand auf die Stirn. „Du bist ja glühend heiß!“
„Ich habe ziemlich lange draußen gelegen, bis Amadeus...“
„Der hätte sich schon ein bißchen beeilen dürfen!“
Die Lampe begann zu schaukeln.
Monika reckte drohend die Faust. „Benimm dich, hörst du?! Es ist jetzt keine Zeit für deine Späße.“
Es war ihr klar, daß sie einen Arzt zu Hilfe holen mußte, das Dumme war nur, daß sie außer Dr. Görgler, dem Tierarzt, keinen Doktor hier draußen kannte. Natürlich hätte sie im Branchenverzeichnis des Telefonbuches nachsehen können, aber das schien ihr zu umständlich.
„Brauchst du etwas, Mutti, außer dem Doktor? Kann ich irgendwas für dich tun?“
„Wasser!“
„Ich bringe dir sofort ein großes Glas!“
Monika sauste in die Küche hinunter, holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Eisschrank, goß ein Glas voll ein und brachte es Frau Schmidt. Sie richtete die Mutter im Bett auf und stützte ihren Kopf, damit sie leichter trinken konnte.
„So, und jetzt suche ich dir einen Arzt!“ sagte sie dann.
Es war gut, daß Herr Schmidt Telefon hatte ins Haus legen lassen. Monika lief in die Wohndiele hinunter, nahm den Hörer ab und wählte Ingrids Nummer.
„Das ist aber edel, daß du mich mal anrufst“, sagte Ingrid, als sie an den Apparat kam.
„Du, ich habe dauernd an dich gedacht...“
„Mir haben die Ohren geklungen!“
„Im Ernst, wie geht’s dir?“
„Ich darf morgen wieder in die Schule!“
„Das freut mich! Ich habe dir eine Menge zu erzählen!“
„Dann leg los!“
„Nicht jetzt. Meine Mutter hat einen Unfall gehabt. Das ist auch der Grund, warum ich anrufe. Kennst du einen netten Arzt hier in der Gegend?“
„Doktor Pützing, der hat auch mich behandelt.“
„Gibst du mir die Nummer?“
Ingrid tat es.
„Danke“, sagte Monika, „wir sehen uns dann morgen.“ Sie legte auf und wählte die Nummer des Arztes.
Eine Frau meldete sich — Monika konnte nicht ausmachen, ob es die Ehefrau oder die Sprechstundenhilfe des Arztes war. Sie trug ihr Anliegen vor.
„Ich werde es Doktor Pützing ausrichten“, sagte die Frau. „Nein, das genügt mir nicht!“ erklärte Monika. „Ich muß ihn selber sprechen.“
„Unmöglich.“
„Wo ist er denn?“
„Das geht dich gar nichts an.“
Monika warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Er ißt zu Mittag, nicht wahr?“
„Jedenfalls darf er nicht gestört werden.“
„Sie müssen ihn holen! Meine Mutter hat hohes Fieber, und ich bin ganz allein mit ihr zu Hause. Sie ist draußen gestürzt und hat lange in der Kälte gelegen. Sie hat hohes Fieber.“ Dramatisch fügte sie hinzu: „Es ist ein Fall von Leben und Tod.“
„Wo wohnt ihr denn?“ fragte die Frau, und es war ihrer Stimme anzuhören, daß sie beeindruckt war.
„In Heidholzen. In dem Haus am Seerosenteich. Unterhalb der Ruine.“
„Ach so. Ich werde dem Herrn Doktor Bescheid sagen.“
„Kann ich ihn nicht selber sprechen?“
„Nein.“
Schwupp hatte die Frau aufgelegt.
Monika lief nach oben. „Der Doktor kommt sofort“, sagte sie, obwohl sie ihrer Sache keineswegs sicher war.
Frau Schmidt stöhnte. „Das ist gut“, sagte sie mühsam.
Monika hatte ihre Mutter bisher immer nur als eine gepflegte, ausgeglichene, meist fröhliche Frau gekannt. Jetzt, mit dem heißen, schmerzverzerrten Gesicht und dem strähnigen Haar, schien sie ihr fast fremd. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen. Aber sie nahm sich zusammen, weil sie ihre leidende Mutter nicht noch mehr belasten wollte.
„Die Suppe“, sagte Frau Schmidt, „müßte eigentlich schon fertig sein, und für morgen habe ich Sauerkraut gekocht...“
„Aber, Mutti, das ist doch gar nicht wichtig! Auch wenn du krank bist, werden wir schon nicht verhungern. Mach dir um uns keine Sorgen, denk lieber an dich!“
„Ich hätte nicht mit Hausschuhen zum Mülleimer laufen sollen! Wenn ich feste Schuhe angezogen hätte, wie Vati immer sagt...“
„Es ist nun mal passiert. Mach dir keine Gedanken. Es wird schon alles wieder werden.“
Die Zeit verging unendlich langsam.
Dabei ließ der Doktor in Wirklichkeit gar nicht lange auf sich warten. Er traf ein, noch bevor Liane und Peter aus der Schule kamen. Kaspars Bellen kündigte seine Ankunft an. Fast gleichzeitig hörte Monika ein Auto vorfahren.
„Da ist er, Mutti!“ rief sie erleichtert.
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