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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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machen? Sie adoptieren? Wer wird sie vermissen, wenn keine Zeitung über sie schreibt, sich keiner öffentlich für sie einsetzt, die Bundesregierung nicht den Arsch hochkriegt. Schlimmer kann es doch gar nicht kommen!«
    Husain schürzt die Lippen.
    »Warum habe ich bloß das Gefühl, dass irgendwas in deiner Gleichung nicht stimmt?«

    »Die Kohle stimmt auf jeden Fall.«
    Der Blick des Fixers verliert an Glanz. Ein kaum spürbarer Anflug von Resignation, weil er weiß, wie sehr er auf das Geld angewiesen ist.
    »Was nun? Ja oder nein?«
    »Ich hör mich mal um.«
     
    Seitdem: Funkstille.
    Zehn Tage nach ihrem Treffen in Peschawar steht Hagen auf einer Anhöhe in der Provinz Kunduz und schaut hinab ins Tal. Kubische Bauten schachteln sich auf einer Fläche von rund drei Quadratkilometern ineinander, geduckt und von Lehmmauern gesäumt. Afghanische Ländlichkeit. So archaisch in ihrer Anmutung, dass man meint, mit der Zeitmaschine hierhergereist zu sein. Sträucher und Matten aus hohem Gras sprießen entlang schnurgerader Bewässerungsgräben. Im Süden ein Weiher, filigrane, Schatten spendende Bäumchen. Äste, die im backofenheißen Wind fiebrig zittern. Jenseits der Felder endet die Vegetation fast übergangslos. Ein paar lindfarbene Schlieren noch, als habe der Maler dieses Bildes den letzten Rest Grün, das er so üppig ans Dorf verschwendet hat, aus den Borsten seines Pinsels in die mondartige Ebene geschmiert. Dann nichts mehr. Nur Staub und Geröll bis zum Fuß der Berge, die so sandfarben und kahl sind wie das Flachland.
    Warum sie hier sind?
    Gotteskrieger-Alarm.
    Hagen reibt Staub aus seinen Augenwinkeln, denkt: Würden all die Heerscharen radikaler Islamisten, eifernder Ultraorthodoxer und fanatischer Christen erhört und der so innig herbeigesehnte Erlöser kehrte zu ihnen zurück – sie würden ihn totschlagen.
    Er wäre ihnen nicht radikal genug.
    Immer wieder verblüffend. Gedanken, ausformuliert und schlüssig, als habe sie jemand programmiert. Sein Hirn, eine Festplatte. Irgendwo Finger, die über ein Keyboard huschen: Würden all die Heerscharen – speichern, versenden –
    Jemand schickt E-Mails an seinen Cortex.
    Er blinzelt. Legt den Kopf in den Nacken. Fällt in die blaue Wüste des Himmels. Tarnblau. Gottes Tarnung, wenn er denn existiert.
    Was Hagen bezweifelt.
    Nicht, dass ihm der Glaube an den Fronten der Verelendung abhandengekommen wäre. Mit derartig larmoyantem Quatsch brüsten sich andere. Wichtigtuer, die ihr Erlebnisdefizit auszugleichen suchen, indem sie jeden Kadaver im Straßengraben zum Anlass nehmen, gleichdie Sinnfrage zu stellen. Hagen hasst sie. Hasst ihre taumelige Betroffenheit, mit der sie Ahnungslose in Hotelbars zulabern. Die Typen rücken seinen Berufsstand in ein schlechtes Licht. Würden sich das Wort Krisenjournalist am liebsten auf die Stirn tätowieren lassen. Erzählen dir, angesichts Tausender Toter, die das Aufbäumen des Meeres in Südostasien, der blutige Wahnsinn afrikanischer Bürgerkriege, die Gefräßigkeit eines Virus hinterlassen haben, nicht mehr an Gott glauben zu können.
    Als wäre der Chef verhandelbar.
    Hagen sieht das anders. Wer aufrichtig an einen Schöpfer glaubt, muss aushalten können, dass er auch für den Mist verantwortlich ist. Kosovo. Somalia. Darfur. Tschad. Khao Lak. Irak. Afghanistan.
    Den ganzen Mist.
    Hagen hat nie an Gott geglaubt. Jedenfalls an keinen von denen, die im Angebot sind. Mit zehn, dem Katholizismus zwangsanvertraut und damit zur sakramentalen Sündenvergebung genötigt, hatte er es im Grunde schon hinter sich. Kroch in die drückende Schwüle des Beichtstuhls, ratlos, was er dem Schemen hinter dem Gitter erzählen sollte. Fragte sich schweißnass: Vergebung, wofür? War sich keiner Schuld bewusst. Das einzige echte Problem in der knappen Bilanz seiner kindlichen Verfehlungen würde entstehen, wenn er die Erwartungen des Schemens enttäuschte, indem er gar nichts sagte. Weil sich jener nämlich, sobald er der hölzernen Kiste mit ihren muffigen Vorhängen entstiegen wäre, in der er wie in einem Passbildautomaten hockte, umgehend wieder in das ganz und gar unschemenhafte, von allen gefürchtete Arschloch zurückverwandeln würde, das Ohrfeigen mit noch größerer Inbrunst austeilte als den Leib Christi.
    Gottes Diener hatte Schwung im Handgelenk.
    Also brachte Hagen seine Lippen ganz nah ans Gitter und wisperte hindurch, was ihm so in den Sinn kam. Eltern angelogen. Bei Rot über die Straße gelaufen. Reichte das?

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