Breaking News
Sicherheit. Die Menge spült sie Richtung Karimpura Bazaar. Männer im Punjabidress eilen an ihnen vorbei, die Kappen leuchtend in der Dämmerung, Signale der Frömmigkeit an eine höhere Entscheidungsebene. Andere in Kaftans, selten ein Turban. Wenn, dann krönt er die verwitterten Züge eines Alten mit weißem Bart. Dazwischen Frauen im pluderigen Salwar Kamiz, bunte, halbtransparenteStoffe, die Konturen erahnen lassen. Ein bisschen Ali-Baba-Romantik, konterkariert vom Lianengewirr der Stromkabel, die zwischen monströsen Verteilermasten bedenklich in die Straßen hineinbaumeln. Bedruckte Fahnen blähen sich von den geschnitzten Holzbalkonen alter Kaufmannshäuser, Stern und Sichel, Koranverse, schnauzbärtige Filmstars, angehimmelt von Schönheiten mit wallender Mähne und vorgereckten, notdürftig verhüllten Brüsten.
Ein Panorama der Widersprüche.
Dann biegt ein Fahrzeug in die Straße ein. Auf den ersten Blick erheiternd. Als ginge es um eine Wette, wer die meisten Männer auf der Ladefläche eines Pick-ups unterbringt. Dicht gedrängt sitzen sie da, fast übereinander, die Beine nach allen Seiten hinausbaumelnd. Tragen schwarze, weiße und gemusterte Turbane, gepflegte Bärte. Ein Gebilde starrend wie ein Igel, weil praktisch jeder eine Panzerfaust oder Kalaschnikow gen Himmel reckt.
»Teerik-i-Taliban«, sagt Husain, und seine Lippen kräuseln sich.
Pakistanische Taliban.
Alles andere als erheiternd. Peschawar ist ein Pulverfass, die logistische Hochburg der Gotteskrieger. Sozusagen ihr Todestern. So was von antiamerikanisch, dass das Wort Verbündeter aus Pervez Musharrafs Mund wie blanker Hohn klingt. Was immer Pakistans Regierung mit den Stammesältesten der Grenzprovinzen abzusprechen pflegte, muss sie heute mit den Taliban verhandeln.
»Die würden Peschawar am liebsten übernehmen«, sagt Husain und spuckt aus. »Aber das können sie nicht. Noch nicht.«
Egal, sie haben die Stadt auch so im Griff. 100 Kilometer von hier windet sich der strategisch wichtige Chaiberpass nach Afghanistan, eine Arterie des Terrors und zugleich Hauptversorgungsroute der NATO . Führt über eine Grenze, die de facto keine ist, weil unkontrollierbar. In den zerklüfteten Gebirgen ringsherum herrschen die Taliban im Verbund mit al-Qaida, Haqqani und usbekischen Dschihadisten, Arabern, Tschetschenen und Extremisten sämtlicher Couleur. Wer den Krieg in Afghanistan für sich entscheiden will, muss ihn in Pakistan gewinnen.
Sobald die drei Entwicklungshelfer erst mal in dieses Grenzgebiet verschleppt werden, sind sie verloren. Niemand kann ihnen dort helfen. Noch mauert die Quetta Shura. Was aber, wenn sie ihre Meinung ändert und die Geiseln doch noch übernimmt? Kein ISAF -Soldat würde sie im Hochgebirge je finden, dort, wo die richtig schlimmen Mistkerle sitzen. Die Köpfeabschneider.
Hagen überlegt.
Was Husain ihm bis jetzt verraten hat, reicht für einen Artikel.
Nicht für eine Story.
Der Fixer steuert ein Café an. In einer Theke prangen Süßigkeiten aus Nüssen, Mandeln und Karamell, Töpfchen mit Shahi Tukra. Hagen liebt Shahi Tukra, hoher Suchtfaktor, doch er bleibt stehen und hält Husain am Ärmel zurück.
»Sag mal, Bilal –«
»Was?«
»Kannst du mich hinbringen?«
»Wovon redest du?«
»In dieses Gehöft. Zu den Geiseln.«
Husain runzelt die Brauen. Er sagt nicht »Hast du sie noch alle?« oder »Schlag dir das aus dem Kopf!«. Er schaut Hagen einfach nur in die Augen und wartet.
»Ich will ein Interview. Mit den Entführern. Sag deinem Kontaktmann, ich werde in Deutschland den nötigen Druck erzeugen, den sie brauchen, damit ihre Geiseln was wert sind. Ich bringe diese Typen in die Medien. Verhelfe ihnen zu Ehre. Dafür darf ich mit allen sprechen und Fotos machen.«
»Hilfst du damit auch den Geiseln?«, fragt Husain.
»Denen verschaffe ich Öffentlichkeit.« Hagen lächelt. »In Berlin scheinen sie beschlossen zu haben, die Sache auszusitzen. Davon werden sie sich verabschieden müssen.«
Husain hebt das Kinn, schaut nach rechts und links. Bläht die Nüstern, als erwittere er Unheil. Ein Stück weiter verschwindet der Pick-up mit den Taliban hinter dem Cunningham-Uhrturm und hinterlässt ein Gefühl allgegenwärtiger Bedrohung.
»Du weißt, worauf du dich einlässt?«
»Ja.«
»Du legst Feuer. Vielleicht zündelst du an der richtigen Stelle. Vielleicht an der falschen.«
»Bilal, verdammt! Die hocken da, ohne dass sie einer haben will! Was meinst du, werden die Taliban mit ihnen
Weitere Kostenlose Bücher