Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
sagt er.
Mom nestelt am Saum ihres Rockes. Sie weiß, dass das nun absolut keine Lösung ist. Es stimmt schon, dass Leute ihre Organe verkaufen, aber die Prozedur dauert Monate und außerdem werden nur Spender unter fünfunddreißig Jahren akzeptiert.
»Und ich habe wirklich geglaubt, dass ihr, du und Quinn, ein Liebespaar seid. Dabei habt ihr Abend für Abend nichts anderes gemacht als Hausaufgaben und Atemübungen. Und ich dachte …« Sie schafft es nicht weiterzusprechen. Dass ich mal einen Premium heirate, das war ihr großer Traum für mich.
»Aber Mom, Quinn liebt mich. Und wir haben tatsächlich noch was anderes gemacht, als zu üben.« Bei diesen Worten werde ich rot und Mom lächelt, ebenso wie Dad – was ich nicht ganz begreife, denn zwischen uns dürfte wohl klar sein, dass ich Quinn nicht heiraten und kein sicheres Leben in der Kuppel mit ihm führen kann. Ich bin drauf und dran, ihnen das ins Gedächtnis zu rufen, als Mom ihre Arme um mich schlingt.
»Dieser verrückte Kerl! Hat eine halbe Ewigkeit gebraucht, um dich endlich richtig wahrzunehmen.«
»Trotzdem werde ich niemals zum Premium aufsteigen«, sage ich.
»Nein, das wirst du nicht.« Meine Mutter streckt ihre Hand aus, um meinem Vater übers Gesicht zu streicheln.
Plötzlich hören wir ein schepperndes Geräusch imNebenraum und ein paar Sekunden später humpelt Old Watson ins Wohnzimmer und beginnt in einem Stapel von Fernbedienungen zu wühlen.
»Schalten Sie den Bildschirm an! Schnell, den Bildschirm!«, ruft er. Als er die entsprechende Fernbedienung endlich gefunden hat, drückt er auf einen großen roten Knopf und Bilder flackern auf.
Ich schaue und warte und frage mich, was denn wohl so Wichtiges zu sehen sein wird, als plötzlich der Justizminister erscheint.
»Dies ist eine offizielle Verlautbarung des Ministeriums: Morgen früh werden wir ein Live-Interview mit Quinn Caffrey ausstrahlen, der kürzlich von einer gefährlichen terroristischen Zelle gekidnappt, gefoltert und erpresst wurde. «
Ein Foto von Quinn wird eingeblendet, auf dem er sehr jung aussieht, jedenfalls nicht älter als zwölf.
»Was ist da los?« Mom starrt mich an, als hätte ich die Sache höchstpersönlich organisiert.
»Psst«, zische ich und drehe lauter.
»Die Veranstaltung wird vor dem Justizministerium stattfinden. Zuschauer sind herzlich willkommen. Zusätzliche Straßenbahnen werden zu diesem Zweck eingesetzt. Wir hoffen, dass die Bevölkerung zahlreich erscheinen wird – als Zeichen ihrer Unterstützung für dieses Opfer des Terrorismus und für die Terrorismusbekämpfung des Ministeriums. Im Anschluss an die Pressekonferenz wird ein Antiterror-Marsch stattfinden. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht«, schließt der Justizminister.
Der Bildschirm wird kurz schwarz, bevor ein Werbespot für eine brandneue Sprühseife aufflimmert.
»Warum sollte sich Quinn für so etwas hergeben?« Mom schreit fast und Old Watson muss sie daran erinnern, leise zu sprechen.
»Ich glaube, Quinn weiß genau, was er tut«, sagt Dad ruhig.
»Und das wäre?«, will Mom wissen.
»Kurz bevor Sie ins Zimmer kamen«, Dad schaut Old Watson an, »leuchtete auf meinem Pad eine Nachricht auf – abgeschickt von Lennon Caffreys Pad.«
»Und?«, frage ich. Ich wage kaum zu atmen.
»Ehrlich gesagt habe ich kein Wort verstanden. Ich dachte, die Nachricht wäre fälschlicherweise an mich gegangen. Aber jetzt wird mir klar, dass sie offensichtlich gar nicht von Lennon war, sondern von Quinn. Der Text lautete: ›Bitte kommen Sie und hören Sie sich morgen meine Rede an.‹ Oder so ähnlich.«
Mom steht auf und stemmt die Hände in die Hüften. »Was soll das heißen?«, fragt sie.
Dad schaut mich abwartend an, während ich versuche, mir einen Reim darauf zu machen.
»Er fordert uns auf, für morgen Leute zusammenzutrommeln«, erkläre ich, als ich endlich anfange, Quinns Pläne zu begreifen.
»Ganz genau«, stimmt Dad zu. »Was auch immer er in dem Interview zu sagen beabsichtigt, er wünscht sich Rückendeckung. Und wer kann die besser geben als eine Horde aufgebrachter Seconds?«
Old Watson tritt vor und drückt meiner Mutter zumZeichen seiner Unterstützung den Arm: »Ich gehe heute Nacht von Tür zu Tür und mobilisiere Leute«, verspricht er.
Mom nickt. »Wir auch.«
»Meinetwegen helft, Leute zusammenzutrommeln, aber bitte geht da morgen nicht selbst hin«, flehe ich.
Dad steht auf. »Bea, ab jetzt ist Schluss mit der Duckmäuserei. Es wird Zeit, dass
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