Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
Augen öffnen – damit sie für eine neue Zukunft kämpfen können.« Noch während des Sprechens merke ich, dass sich das, was ich sage, richtig anfühlt. Absolut richtig. Ich will mich für andere Menschen einsetzen. Ich will, dass sich die Dinge ändern, dass sie sich verbessern. Aber ichkann nichts bewegen, rein gar nichts, wenn ich mich verkrieche.
»Wenn du es irgendwie aus der Kuppel rausschaffst, dann flüchte dich in den Rebellenhain. Ich komme auch dorthin«, verspreche ich.
»Oh nein, Quinn, bitte nicht.« Bea zieht die Ärmel ihres Pullovers über die Hände, als wäre ihr kalt.
»Bea, wir treffen uns im Hain.«
Ich streiche ihr die Haare aus dem Gesicht. Da lächelt sie widerstrebend und sieht so wunderschön aus, dass ich sie eine Zeit lang nur anstarre. Ich kann nicht glauben, dass ich dieses Mädchen mein halbes Leben vor Augen hatte, ohne sie je richtig gesehen zu haben.
»Weil ich meine Eltern nicht beunruhigen wollte, hab ich ihnen dieselbe Geschichte erzählt, die wir auch dem Ministerium aufgetischt haben. Sie haben also keine Ahnung, was wirklich los ist. Kannst du ihnen die Wahrheit sagen?«, bittet mich Bea.
»Ich mache das«, schaltet sich Watson ein. »Ich stehe auf keiner Todesliste. Noch nicht.«
»Wie können wir Ihnen danken?«, frage ich.
»Indem ihr am Leben bleibt«, antwortet er.
Als ich nach Hause komme, weiß ich, dass mein Gefühl mich nicht getrogen hat: Mein Vater tigert wie wild im Wohnzimmer auf und ab. Er sieht aus, als bekäme er jeden Moment einen Anfall. Lennon und Keane sind hinter der Couch in Deckung gegangen und spähen ängstlich dahinter hervor. Und meine Mutter liegt auf dem Fußboden und streicht sich über ihren Kugelbauch.
»Wo zum Teufel warst du? Wirfst du zwischendurch gar keinen Blick auf dein Pad?«, bellt mein Vater, als ich mich reinschleiche und gegen die Anrichte lehne.
»Das hab ich aus Versehen in der Schule liegen lassen«, murmele ich.
Mein Vater kneift die Augen zusammen: »Cain Knavery kommt in wenigen Minuten. Kann sein, dass er Niamh mitbringt.«
»Ein nettes Mädchen«, lässt sich meine Mutter vom Fußboden aus vernehmen.
»Was ist los? Warum bist du schon so früh zu Hause?«, frage ich meinen Vater.
»Wo ist Bea Whitcraft?« Er schaut mich mit einer Art Röntgenblick an, als könnte er jede potenzielle Lüge sofort entlarven.
»Woher soll ich das wissen? Wir haben schließlich keinen Kontakt mehr.«
»Ich hab mich vor ein paar Minuten via Pad mit Riley Weeze ausgetauscht: Der sagt, ihr beide, Bea und du, wärt heute zusammen in der Kantine gewesen.« Mein Vater schüttelt den Kopf. »Na, der Sicherheitsdienst wird sie schon finden. Sie war jedenfalls nicht zu Hause, und ihre Eltern sagen, sie wüssten nicht, wo sie sei. Falls du es weißt, Freundchen, dann sagst du es mir jetzt! Auf der Stelle!« Er spricht zu meinem Spiegelbild im Wandspiegel, so als könne er es nicht ertragen, mir direkt ins Gesicht zu blicken.
»Warum wollten die Sicherheitsleute Bea denn abholen?«, fragt meine Mutter.
Mein Gott, ist sie wirklich so beschränkt? Sie wardoch dabei, als der Präsident Bea, mir und ihrem ungeborenen Kind ganz unverhohlen gedroht hat.
Mein Vater schnellt herum, packt mich am Hemdkragen und zieht mich in den Flur. »Die Soldaten haben den gesamten südlichen Küstenabschnitt durchkämmt. Zweimal sogar – ergebnislos. Ich habe versucht, den Präsidenten hinzuhalten, aber damit ist jetzt Schluss. Er will Antworten. Also: Sag mir endlich die Wahrheit!«
Ich versuche, eine nichtssagende Miene aufzusetzen, während mein Vater mich gegen die Wand drückt.
»Ich kann dir nicht helfen, wenn du mich anlügst. Du lässt mir praktisch keine andere Wahl, als dich auszuliefern. Und komm bloß nicht auf die Idee, Bea Whitcraft schützen zu wollen. Weißt du, das gab es alles schon hundertfach: Immer wieder haben Seconds versucht, Premiums zu umgarnen, teilweise jahrelang, einfach nur, um jemanden im Machtzirkel auf ihrer Seite zu haben. Sie ist es nicht wert, mein Sohn, glaub mir. Rette deine eigene Haut. Rette deine Familie.«
Das ist also der Grund, warum er so scharf drauf ist, dass ich mit Niamh anbandele: Er will unsere Familie aus der Schusslinie bringen, uns unantastbar machen.
»Ich hab keine Ahnung, wo sich die Terroristen verstecken. Bea war diejenige, die gehört hat, wie sie sich unterhielten. Sie hat es mir erzählt und ich hatte damals keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Aber ja, es stimmt, sie hat gelogen. Das
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