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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
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rüberzuklettern und zu riskieren, dass er mich verrät? Soll ich lieber aus dem zehnten Stock in den Tod springen?
    Old Watson sieht uns zögern. »Ihr habt mir meine Geschichte, warum ich die Blumen gieße, nicht wirklich abgekauft, oder? Na los, rüber mit euren Pflanzen«, sagt er.
    Aus dem Hintergrund höre ich, wie Onkel Gideon und Tante Harriet versuchen, die Sicherheitsleute hinzuhalten, die immer heftiger gegen die Tür trommeln.
    »Macht schon!«, drängt Old Watson.
    Verstohlen blicke ich mich zu den umliegenden Häusern und Balkonen um, wobei es total lächerlich ist, nach neugierigen Augenpaaren Ausschau zu halten, wenn einen vermutlich die halbe Kuppel beobachtet. Na egal, lässt sich nicht ändern. Kurzerhand werfe ich meinen Rucksack auf Old Watsons Balkon und klettere hinterher. Mein erster Blick fällt auf seine Pflanzen. Tatsächlich, er hat nicht gelogen: Die sind echt! Einige blühen sogar.
    »So, und jetzt reich mir die Pflanzkästen«, weise ich Silas an.
    Er hebt sie so vorsichtig hoch, als würde er ein Baby aus der Wiege nehmen, und legt sie in meine geöffneten Arme. Als ich den letzten Kasten auf Watsons Balkon stelle, hören wir einen Schrei.
    »Sie sind drin«, zischt Silas. Watson und er tauschen einen Blick, den ich nicht verstehe. Dann ist Silas weg und die Balkontüren piepsen, als sie sich luftdicht hinter ihm schließen.
    Old Watson winkt mich in sein Wohnzimmer, wo es mir erst mal den Atem verschlägt. In jedem freien Winkel, in jedem Regal stehen Pflanzen. »Sind die nicht großartig? Ihr beklaut das Ministerium, ich beklaue euch«, gibt er unumwunden zu.
    »Ich bin auf der Flucht. Ich muss raus aus der Kuppel. Hier finden sie mich.«
    »Klar«, sagt er nur.
    Ein Riesengetöse aus der Nachbarwohnung lässt die Wand vibrieren. Ich zucke zusammen. Soll ich über den Balkon zurückklettern? Wenn ich mich stelle, lassen sie vielleicht meine Familie in Ruhe. Doch Old Watson schiebt mich zur Wohnungstür.
    »Geh, solange sie beschäftigt sind«, sagt er.
    Es piepst, als wir in die Luftschleuse treten. Old Watson schaut durch das Guckloch in der Außentür. »Die Luft ist rein. Brauchst du noch was?«
    »Wie soll ich bloß rauskommen, wenn sie nach mir suchen?«, frage ich in einem Anfall von Verzweiflung.
    »Such dir eine Gruppe von Premiums und schließe dich ihr an. Die kommen immer durch.«
    Er hat recht. Meine einzige Chance ist, mit einem Premium mitzugehen.
    »Schnell«, flüstert er und schiebt mich in den leeren Hausflur. Gedämpfte Geräusche, als ob jemand gewürgt wird, dringen durch unsere Wohnungstür. »Jetzt steh hier nicht wie angewachsen rum, Mädel«, zischt Watson. »Na los! Los!«
    Ich öffne die Nottür zum Treppenhaus und haste die zehn Stockwerke hinunter, wobei ich versuche, so zuatmen, wie Silas und ich es nachts trainiert haben. Zwischen unserem Wohnturm und dem riesigen Nachbargebäude trete ich raus auf die Gasse. Dort ist es ruhig und dunkel. Ich versuche, zu Atem zu kommen, und überlege mir einen Fluchtweg. Ich muss rennen, und das kann ich nicht auf den Hauptwegen. Allerdings kenne ich nur die Seitenstraßen in Zone 3, die in den Zonen 1 und 2 habe ich nie erkundet. Da muss ich spontan sehen, wie ich mich durchschlage.
    An der ersten Ecke renne ich fast in ein Paar hinein, das schwer atmend aneinander rumfummelt. Ich zucke kurz zusammen, aber dann entspanne ich mich. Der Anblick ist nicht ungewöhnlich, denn Liebespaare brauchen eine Menge Sauerstoff. Würden sie zu Hause rumknutschen, müssten sie dafür zahlen. Ich laufe weiter, das halb nackte Paar nimmt kaum Notiz von mir.
    Die ganze Zeit, während ich renne, muss ich an Abel denken. Ich wusste doch, dass er noch nicht bereit war für die Mission. Und trotzdem wollte ich, dass er mich begleitet  – weil es eine gute Gelegenheit war, mit ihm allein zu sein. Jetzt ist er tot und ich werde niemals wieder mit ihm allein sein. Abel ist tot, weil ich ihn mochte.
    Sekunden später fährt mir der Schreck in die Glieder und mir wird schlagartig bewusst, dass ich nicht länger so gedankenverloren durch die Gegend rennen kann: Etwas weiter vorne drückt sich ein Mann mit langen dünnen Haaren im Schatten herum. Illegales Atemtraining und Sex sind nicht die einzigen Gründe, warum Leute in den Nebenwegen rumhängen, es gibt dort auchKriminelle. Instinktiv bleibe ich stehen, doch der Mann hört mich trotzdem, blickt mich an und leckt sich die Lippen. Dann humpelt er steifbeinig auf mich zu. Um Hilfe rufen geht

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