Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
Höchsttempo von drei Stundenmeilen nicht zu überschreiten. Es fehlte jetzt gerade noch, dass wir von einer Geschwindigkeitskamera geblitzt werden.
Wir befinden uns nun in Zone 1 mit ihren blitzsauberen Straßen und verspiegelten Gebäuden. Die Passanten sind allesamt tadellos gekleidet. Lauter selbstzufriedene Gesichter unter den Atemmasken. Hier sind ausnahmslos Premium-Bürger unterwegs, die, wenn sie uns sehen, ihren Blick sofort abwenden. Möglichst unauffällig natürlich.
Wir gehen immer weiter Richtung Kuppelmitte, und obwohl keine Mauern oder Elektrozäune die einzelnen Zonen voneinander trennen, ist der Übergang vom Areal der Privilegierten zur Zone 2 doch unverkennbar: Statt von verspiegelten Gebäuden und schmucken Einfamilienhäusern sind wir auf einmal von gedrungenen, wesentlich dichter stehenden Wohnblocks umgeben, und die breiten Boulevards sind schmalen Straßen gewichen.Anzugträgern begegnet man jetzt nicht mehr, stattdessen wimmelt es nur so von Aufsehern, Ordnern und Sicherheitskräften, die hier, schon deutlich näher am Zentrum der Kuppel, ihre Wohnungen haben. Instinktiv senken wir die Köpfe.
Kurz darauf erreichen wir Zone 3. Wohntürme, die für jeweils tausend Bewohner konzipiert sind, ragen in die gläserne Kuppel auf, und unten in den engen Gassen ist es stockfinster, denn das natürliche Licht wird von den Betonmassen geschluckt.
Wir drücken uns in den düsteren Durchgang zwischen zwei Hochhäusern. Was für ein armseliger Kontrast zu den majestätischen Baumriesen, die uns eben noch umgeben haben!
Abel reibt sich die Hände und kann vor lauter Aufregung gar nicht stillstehen. »Wir haben’s geschafft! Wir haben’s echt geschafft! Hast du alles gekriegt, was du wolltest? Darf ich mal sehen? Wenn du willst, kümmere ich mich darum. Komm, gib mal her.«
Keine Frage, er ist wieder ganz der Alte.
»Ich hab gleich mehrere Stecklinge abgeknipst. Silas wird Augen machen. Vielleicht befördert mich Petra ja sogar!«
»Mann, du warst absolut cool!« Abel legt mir einen Arm um die Taille und zieht mich zu sich heran. Er lächelt und steht so dicht vor mir, dass sich unsere Nasenspitzen fast berühren. Scherzhaft schiebe ich ihn zurück auf Abstand. Noch zögere ich, etwas anzufangen, das mit einem Kuss beginnt.
»Wieso ich? Du hast doch den Stein geworfen und dieLeute abgelenkt. Ich bin echt froh, Abel, dass Petra dich entdeckt hat. Du wirst uns sehr nützlich sein.« Keine Ahnung, warum ich unsere Beziehung immer noch ausschließlich über die Widerstandsbewegung definiere. Warum ich ihm nicht einfach sage, dass ich glücklich bin, wenn wir zusammen sind – egal, ob wir uns nun gemeinsam engagieren oder nicht.
»Dann bringen wir die Stecklinge also zum Rebellenhain?«, fragt er.
»Ja. Hast du Lust, uns zu begleiten?«
Ein Strahlen geht über sein Gesicht. »Klar, logisch!«
Wir schleichen uns zurück auf die Straße und Abel legt mir den Arm um die Schulter. Sofort habe ich butterweiche Knie und ein wahnsinniges Kribbeln im Bauch.
»Vertraust du mir eigentlich?«, fragt er, während seine Finger meinen Hals kitzeln.
»Lass den Quatsch, Abel! Wir kämpfen für die gleiche Sache, wir sind Weggefährten, kein Liebespaar«, stelle ich hastig klar und hoffe, dass er heftig widerspricht und erklärt, er könne ohne mich nicht leben. Aber das tut er nicht. Er lacht nur. Und ich, ich schüttele seinen Arm nicht ab.
Aber lachen tue ich nicht.
BEA
Zehn Kandidaten sitzen rund um den riesigen Glastisch. Die meisten zappeln irgendwie herum. Ein Mädchen kaut Fingernägel und spuckt kleine Teile davon auf den Tisch. Ein Junge nagt an seiner Unterlippe. Ich versuche, möglichst ruhig und gelassen zu wirken. Als ich Quinn anschaue, der mir gegenübersitzt, grinst er. Wahrscheinlich will er mir signalisieren, dass er sich weder um mich noch um sich selbst Sorgen macht. Er ist genauso entspannt wie immer. Er lehnt sich sogar zurück und verschränkt die Hände im Nacken.
Wir warten auf den Professor. Darauf, dass die Diskussionsrunde endlich beginnt. Wir haben alle mindestens ein Jahr gebüffelt, und nun ist es an der Zeit, dass wir zeigen, wie gut wir einander mit Argumenten übertrumpfen können. Alle anderen im Raum sehen aus wie aus dem Ei gepellt: bestens präparierter Premium-Nachwuchs. Ich fühle mich klein in ihrer Gegenwart. Quinn ist die einzige Ausnahme, der ist nicht die Spur versnobt und eingebildet. Ihm merkt man absolut nicht an,dass er ein Premium ist, es sei denn, man
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