Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
die Meisterschaft gewonnen. Na ja, wir hatten auch ’n Schweineglück.«
»Wie schön für dich«, bemerkt Alina ironisch.
Bea und Maude sitzen auf einer roten Plastikbank unter einem durchsichtigen Unterstand. Er sieht aus wie die Miniaturausgabe einer Tramhaltestelle, obwohl es nirgendwo Schienen oder Oberleitungen gibt. Neben dem Unterstand steht ein großes Schild mit verblassten Zahlen: 123, 230, 158, N73.
Maude beobachtet mich, wie ich mir das Schild anschaue. »’Ne Bushaltestelle«, schnauft sie. »Brumm, brumm. Wie’n großes Auto.«
Bea holt ihre Wasserflasche aus dem Rucksack und hält sie Maude an die Lippen, während diese ihre Atemmaskeein Stück nach oben schiebt. Ich selbst hab keinen Durst, aber ich muss schon seit über einer Stunde pinkeln. Ich hab nur so lange ausgehalten, weil ich zur Ablenkung, na ja, Sachen angestarrt habe, die ich wohl besser nicht anstarren sollte.
»Ich geh mal kurz ’n kleines Geschäft erledigen«, verkünde ich.
»Häh? Was für ’n Geschäft?«, fragt Alina.
»Ein Privat geschäft«, sage ich überdeutlich, damit sie es endlich kapiert und ich ihr nicht auf die Nase binden muss, dass ich hinter irgendeinem Schutthaufen mein Gerät rausholen und pinkeln werde.
»Oh, ich muss auch.«
Bea, immer noch damit beschäftigt, Maude zu trinken zu geben, guckt erst mich und dann Alina entgeistert an. Wahrscheinlich stellt sie sich die gleiche Frage wie ich: Will Alina mich jetzt allen Ernstes begleiten? Ich mag Alina, wirklich, aber ich glaube nicht, dass ich auch nur einen Tropfen rausbringe, wenn sie neben mir hockt – ja nicht mal, wenn sie nur in Hörweite wäre. Ich gehöre zu den Leuten, die beim Pinkeln absolute Ruhe brauchen. In der Schule, zum Beispiel, hasse ich es, wenn ich im Männerklo stehe und pinkeln will und plötzlich ein anderer Typ reinkommt und sich neben mich pflanzt. Und wenn er mich dann auch noch anquatscht, ist es ganz aus. Wenn man krampfhaft versucht, sich nicht nass zu machen, will man doch nicht nebenbei noch Konversation betreiben, oder?
»Vielleicht sollte ich zuerst gehen und du danach?«, schlage ich vor.
»Oh, Mann, Quinn«, seufzt Bea.
»Moment mal, dachtest du etwa, ich wollte mit dir zusammen gehen? Wie hast du dir das denn vorgestellt?« Die zwei Mädchen schauen sich an und grinsen.
Ich versuche, die Sache zu erklären, aber alles, was ich sage, amüsiert sie nur noch mehr. Und als ich mich endlich davonschleiche, kichert sogar Maude.
»Biste sicher, dass du keinen brauchst, der dir die Hand hält? Oder was anderes?«, johlt sie mir hinterher.
Ich werfe Bea einen Blick zu, der signalisiert: Hey, eigentlich solltest du doch wohl zu mir halten! Aber sie hat schwer damit zu tun, sich das Lachen zu verbeißen. Maude haucht mir Küsse hinterher, woraufhin Alina einen regelrechten Lachkrampf kriegt. Fahrig mache ich kehrt und gehe in die Richtung zurück, aus der wir gekommen sind, auf der Suche nach einem großen Auto oder einer Mauer oder irgendwas anderem, hinter dem ich mich verstecken kann.
Nachdem ich gepinkelt habe, zieht es mich nicht sofort zurück zu den Mädchen und ich schaue mich noch ein bisschen um. Je weiter wir in Richtung Stadtzentrum vordringen, umso erbärmlicher sieht es aus. Meterhoch türmen sich inzwischen Schutt und Trümmer und jede noch stehende Mauer ist mit ausgeblichenen Graffiti übersät: Alle, die nicht glauben, sollen in der Hölle schmoren! Der Teufel wartet schon auf die Reuelosen.
In der Zeit vor dem Switch waren die Leute total gottesgläubig. Dabei möchte ich mal wissen, was Gott mit alledem zu tun hat. Die Menschen haben ihre Wälderdoch selbst zerstört. Und für die Verseuchung der Meere sind sie ebenfalls selbst verantwortlich. Aber immerhin haben sie sich danach auch eigenhändig gerettet. Alina kann von BREATHE halten, was sie will: Ohne BREATHE hätte es keine Überlebenden gegeben.
Ich höre ein leises Grummeln und blicke auf. Die Wolken haben sich für einen neuen Platzregen zusammengeballt. Wenn wir nicht schnell einen Unterstand finden, bekommen wir die nächste Dusche ab.
Auf dem Rückweg zu den anderen höre ich es schon wieder grummeln. Obwohl es jetzt eigentlich mehr ein Vibrieren ist, das man durch den Boden spürt. Anders als bei normalem Gewitter hört es nicht auf, ist vielmehr ein kontinuierliches Beben, fast wie ein Bohren in der Erde. Das kann unmöglich vom Himmel kommen. Ich schaue nach oben, um mich zu vergewissern. Und dann blicke ich über meine Schulter,
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