Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
kaufen.«
»Todesstationen«, wiederholt Bea und zuckt zusammen, als eine weitere Explosion den Rolltreppenschacht erschüttert.
»Einmal, da hab ich geholfen, hier unten ’n Kind zu entbinden«, fährt Maude fort. »Und was warn die ersten Worte der Mutter, als ich ihr sagte, dass sie ’n Jungen hat? ›Tu es‹. Ich wusst natürlich gleich, was sie meinte. Wir alle wussten’s. Aber wie konnt ich das tun?« Maude spricht inzwischen doppelt so schnell und mehr zu sich selbst als zu uns.
Bea starrt sie an, wie hypnotisiert. »Was ist mit dem Baby passiert?« In ihren Augen stehen Tränen.
»Hab die Mutter befreit. Befreien – so haben wir’s genannt. Befreien – die Freiheit zurückgeben. Dann hab ich das Baby genommen und es auf die Treppe vorm größten Haus gelegt, das ich finden konnte.«
»Und nachdem du mit deinem barmherzigen Treiben hier fertig warst, bist du in die Kuppel gegangen und hast einen Job bei BREATHE angenommen?« Sorry, aber ich kaufe Maude ihre Reuetour nicht ab.
»Nee, sie ham uns rekrutiert. Sie ham uns ’nen Platz in der Kuppel versprochen. Sie ham rausgefunden, was wir hier gemacht ham, und deshalb ham sie uns ausgewählt. Die dachten, wir wärn gnadenlos. Na ja, warn wir ja vielleicht auch. Egal, die letzten Bäume auszurotten war jedenfalls besser, als Leute umzubringen.«
»Du kotzt mich an«, sage ich, und ich meine es genau so, wie ich es sage. Ich hätte niemals auf Beas weiches Herz hören sollen. Ich hätte die Alte in ihrer Bruchbude verrotten lassen sollen.
Maude murmelt etwas, das ich nicht hören kann.
»Was hast du gesagt?« In den hallenden Gängen kommen meine Worte als Echo zurück. Sie klingen bitter und hohl.
»Ich sagte, ich kotz mich selbst an.«
Was kann man da noch erwidern? Nichts. Also halte ich meine Klappe. Bea nickt und rückt dichter an Maude heran. Sie umarmt sie nicht gerade, vielleicht weil sie so dreckig und runtergekommen ist, aber sie tätschelt ihr die Hand. Ganz sanft. Keine Ahnung, wo sie all ihr Mitgefühl hernimmt.
Plötzlich beginnt die Erde zu beben, und ein Getöse, als würde eine ganze Steinlawine in den U-Bahn-Schacht donnern, holt uns zurück in die Gegenwart.
Schreckensstarr stehen wir da, doch so plötzlich, wie er begonnen hat, verklingt der Krach, und wir meinen, den Panzer wegfahren zu hören. Wenn sie Quinn nicht gefasst haben, dann haben ihn vermutlich irgendwelche herumfliegenden Trümmer erwischt.
»Lass sie hier und schnapp dir die Taschenlampe«, weise ich Bea an.
»Nee, lasst mich nich allein in dieser verdammten Finsternis«, wimmert Maude, während ich schon die Rolltreppe hochrenne.
»Wir sind gleich wieder da«, ruft Bea über die Schulter zurück und folgt mir.
Komischerweise wird es nicht heller, und ich kann nur deshalb etwas sehen, weil Bea mit ihrer Taschenlampe direkt hinter mir läuft. Oben angekommen, blicke ich mich um.
»Sind wir vorhin zwei Etagen runtergestiegen?«, frage ich, als Bea auf meiner Höhe ist.
»Nein, der Ausgang müsste direkt dort drüben sein.« Sie richtet den Lichtkegel auf einen Haufen Ziegelsteine – und schaut mich entsetzt an.
»Quinn ist da draußen! Wir müssen ihm helfen!«, schreit sie.
Sie läuft in Richtung Ausgang und beginnt, wie eine Wahnsinnige Steine in alle Richtungen zu werfen. Aber es ist absolut hoffnungslos. Das gesamte Dach ist eingestürzt. Selbst wenn wir zu zwanzigst wären, würden wir Tage brauchen, um uns durch den Schutt nach draußen zu graben. Ich lasse Bea eine Weile mit den Steinen herumwüten. Dann gehe ich zu ihr.
»Hier kommen wir nicht raus. Wir müssen durch den Tunnel«, sage ich.
Aber sie beachtet mich gar nicht. »Ich glaube, ich kann ihn hören. Was, wenn er unter diesem Haufen begraben ist? Hilf mir bitte, ja? Hilf mir!«
Ich lege ihr eine Hand auf die Schulter, während sie sich abmüht, eine Eisenstange aus dem Geröllhaufen zu ziehen. »Bea«, sage ich sanft.
»Vielleicht ist Quinn tot«, sagt sie. »Quinn«, wiederholt sie leise.
Sie liebt ihn, das steht fest. Aber er ist so blind und selbstvergessen, dass er es überhaupt nicht bemerkt hat. Und jetzt erfährt er’s vielleicht auch nicht mehr. Ob Bea selbst sich überhaupt im Klaren ist über ihre Gefühle?
»Kann ja auch sein, dass sie ihn mit zurück in die Kuppel genommen haben«, sage ich, obwohl ich das bezweifle. Sie hätten wohl kaum so in der Gegend rumgeballert, wenn sie Quinn einfach nur eine freundliche Mitfahrgelegenheit hätten anbieten wollen. »Und
Weitere Kostenlose Bücher