Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
nehme – und dann noch einen. Und deshalb ist mein Magen auch im Nu randvoll und ich habe keinen Platz mehr für all die anderen Köstlichkeiten. Nur die Brombeerenprobiere ich noch, und zwar in dem Moment, als Petra abermals aufsteht und das Wort erhebt. Während sie spricht, lade ich kleine Essenshäppchen auf meinen Teller und lasse sie von dort verstohlen in meine Taschen gleiten: für Maude.
»Wir nehmen diese Mahlzeit in der Sicherheit unserer unglaublichen Zufluchtsstätte ein, wohl wissend, dass es vielleicht unsere letzte gemeinsame Mahlzeit ist«, sagt Petra. »Wir danken diesem wunderbaren Ort für den jahrelangen Schutz, den er uns gewährt hat. Wir danken der Erde. Wir danken dem Wasser. Wir danken den Pflanzen und Bäumen – den Wurzeln, den Blättern, den Blüten und den Früchten. Wir danken unseren Weggefährten dafür, dass sie unsere Gärten kultivieren. Wir danken den Geistern derjenigen, die für uns gestorben sind. Im Namen der Erde bekunden wir euch unsere Zuneigung und Hingabe. Wir grüßen euch.«
Bei diesen Worten pressen alle Anwesenden ihre Handflächen auf Höhe des Herzens gegeneinander und neigen ihre Köpfe.
»So sei es«, schließt Petra.
»So sei es«, antwortet ein Chor von Stimmen.
»Und jetzt bring sie zurück nach unten!«, befiehlt Petra quer über den Tisch und Alina springt auf und eilt zur Tür. Ich folge ihr.
»Wie heißt du?«, ruft Petra mir hinterher.
Ich will antworten, bringe jedoch nur ein schrilles Fiepsen zustande. Um mich herum macht sich Gemurmel breit. Petra reibt sich das Kinn. Ich versuche, so stramm und aufrecht zu stehen, wie nur irgend möglich,obwohl ich das Gefühl habe, dass mein ganzer erschöpfter Körper zittert und bebt.
»Bea Whitcraft. Ich bin eine Second und würde gerne der Sache dienen«, bringe ich schließlich heraus. Und in dem Moment wird mir klar, dass ich es genau so meine.
Als Alina mich zurück in meine Zelle führt, hole ich die gestohlenen Essenshappen hervor.
»Was machst du denn da?«, keucht Alina. »Was ist das denn?«
»Maude hat auch Hunger.«
»Sag mal, geht’s noch? Wenn Petra dich damit erwischt hätte, hätte sie dich auspeitschen lassen.«
»Will sie Maude sterben lassen?«, frage ich.
»Sie hätte dich umbringen können. Oder mich .«
»Dann lass Maude jetzt frei.« Ich schaue Alina bittend an. »Gib ihr zumindest eine Chance. Du könntest sagen, dass sie dich überwältigt hat, und wir geben ihr eine Sauerstoffflasche. Was für einen Schaden soll sie schon anrichten?«
»Und wo soll sie hin? Wie viele Tage würde die Sauerstoffflasche reichen? Und was, wenn sie uns verrät?«
»Es hört sich doch so an, als würden wir demnächst sowieso alle geschnappt.«
»Nein, das kann ich nicht machen. Ich kann nicht schon wieder gegen die Regeln verstoßen. Wenn es etwas gibt, das hier wichtig ist, dann ist es Gehorsam. Das ist der einzige Weg, der uns zum Erfolg führt.«
»Gehorsam? Sieht dir aber gar nicht ähnlich.«
»Ich vertraue Petra. Schau dir doch an, was sie allesaufgebaut hat. Und das hat sie nur geschafft, weil sie die Leute dazu gebracht hat, ihre Regeln einzuhalten.«
»Warum kannst du nicht einfach mal deinen Gefühlen vertrauen?«
»Das letzte Mal, als ich meinen Gefühlen vertraut habe, ist jemand gestorben.« Alinas Augen haben einen harten Ausdruck angenommen und ihre Mundwinkel sind plötzlich ganz angespannt. Mir ist schlagartig klar, dass ich sie nicht werde überzeugen können.
»Vielleicht findet Petra ja Verwendung für sie. Lass uns das hoffen.« Alina öffnet die Zellentür, nimmt mir meine Sauerstoffflasche ab und bedeutet mir, mich wieder zu Maude zu setzen. Dann steht sie noch einen Augenblick da und beobachtet uns, bevor sie die Tür von außen verriegelt.
Leider behalte ich das Essen nicht im Magen. Zu lange habe ich mich von Chemikalien, Pulver und Pillen ernährt. Kaum hat Alina die Zellentür geschlossen, da kotze ich alles wieder aus, direkt auf meine Klamotten.
»Tut mir leid«, murmele ich.
Maude streicht mir übers Gesicht und wischt mir mit dem Ärmel ihres Pullovers das Kinn und das Shirt sauber. Blöderweise habe ich nicht daran gedacht zu trinken, obwohl krügeweise frisches Wasser auf dem Essenstisch stand.
»Könnten wir etwas Wasser bekommen?«, brülle ich. »Und etwas mehr Sauerstoff? Ich kriege keine Luft.« Ich rutsche näher an die Tür heran und wiederhole meine Bitte, immer und immer wieder. Doch keiner antwortet, nicht einmal Alina.
»Wird schon
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