Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
irgendwas Schlimmes zugestoßen ist?«
Maude haut mit der Faust auf den Boden. »Alina hat uns betrogen. Diese VERRÄTERIN!«, brüllt sie.
»Pssst … sonst kommen sie rein und tun dir weh«, warne ich und nehme ihre Hände in meine. Vielleicht hat sie ja recht mit Alina. Die sah wirklich ziemlich schuldbewusst aus, als sie sich vorhin so plötzlich aus dem Staub gemacht hat.
Die Zelle scheint eine Art leer geräumtes Lagerkabuff zu sein: Es gibt weder eine Toilette noch ein Bett oder einen Stuhl oder irgendetwas anderes zum Draufsetzen.Also setze ich mich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden, den Rücken gegen die kalte, nackte Betonwand gelehnt. Maude stöhnt auf und legt ihren Kopf an meine Schulter.
»Glaubst du, der Junge hat’s geschafft?«, fragt sie. »Sah eigentlich ganz stark aus. Und war kein schlechter Kerl. Vielleicht hat er’s ja geschafft, könnt doch sein.«
»Ich habe ihn geliebt«, gestehe ich ihr. Aber das scheint sie bereits zu wissen. »Keine Ahnung, warum ich ihn geliebt habe. Er war mein bester Freund. Und ich weiß, dass er mich auch mochte. Nur eben nicht so. Er hat mich so oft umarmt, und immer hoffte ich, es würde ihm etwas bedeuten. Aber dann hat er mich wieder losgelassen, hat gelächelt und mir genauso lässig und cool wie immer Tschüss gesagt. Jeden Tag hat er mir, ohne es zu ahnen, das Herz gebrochen.«
»Manche Leute sind dazu bestimmt, genau das zu tun«, antwortet Maude.
»Was zu tun?«
»Manche Leute sind dazu bestimmt, uns das Herz zu brechen.«
Auf dem Boden neben mir liegt etwas, das sich anfühlt wie ein kaputter Ohrring. Ich hebe das Teil auf und drehe es in meiner Hand.
»Ich vermisse ihn.«
»Wirst ihn zeitlebens vermissen, Bea.«
»Ich möchte nach Hause. Meine Eltern machen sich bestimmt Sorgen. Sie arbeiten so hart und sind andauernd krank. Als Mrs Caffrey schwanger wurde, war Quinn allein von der Vorstellung, dass seine Eltern miteinandergeschlafen haben, total angeekelt. Bei mir ist es umgekehrt: Ich würde mir wünschen, dass meine Eltern miteinander schlafen. Sie verdienen es, sich zu lieben. Ich hoffe, dass sie es sich leisten können, es zu tun, wenn ich nicht mehr da bin. Ich vermisse sie so.«
Maude dreht sich zu ihrer Seite um und beginnt zu summen. Auch ich merke, wie ich langsam wegdöse. Der Raum scheint sich immer weiter zusammenzuziehen und meine Augenlider werden schwerer.
Ich wache davon auf, dass mich jemand an der Schulter rüttelt.
»Komm mit«, höre ich Alinas Stimme, und noch bevor ich meine Augen richtig geöffnet habe, reicht sie mir eine Sauerstoffflasche. Maude kauert noch immer mit verbundenen Augen und gefesselten Händen und Füßen in der Ecke. Sie schnarcht.
»Was ist mit Maude?« Ich streife die Atemmaske über und ziehe den Gurt am Hinterkopf fest. Aus der Maske strömt Luft mit einem hohen Sauerstoffanteil. Begierig nehme ich ein paar tiefe Atemzüge.
»Sie wird noch hier sein, wenn du zurückkommst. Es war nicht leicht, Petra davon zu überzeugen, dich rauszulassen. Na komm schon.«
Das Licht im Gang ist so gleißend, dass ich einen Moment die Augen zusammenkneifen muss. Alina schließt die Zelle wieder ab, dann steht sie betreten vor mir.
»Ich schwöre dir, ich habe nichts damit zu tun«, sagt sie. »Hast du Hunger?«
Ich zucke die Achseln, zu erschöpft, um zu antworten.Alina führt mich den Gang entlang, dann die Treppe hoch zur Hauptebene des Stadions und schließlich noch höher. Kurz darauf gelangen wir in den Gang, den Dorian uns gezeigt hat, als wir von hinten gepackt wurden. Alle paar Meter blicke ich nervös über meine Schulter.
»Mach dir keine Sorgen.« Alina tätschelt mir beruhigend den Arm. »Wir gehen nur was essen. Aber möchtest du vorher noch etwas ganz Besonderes sehen?«
Wieder zucke ich die Achseln. Mir ist alles egal. Was könnte mich denn jetzt noch in irgendeiner Weise überraschen? Doch Alina lässt sich von meiner Gleichgültigkeit nicht entmutigen. Sie nimmt einfach meine Hand und führt mich zu einer gläsernen Tür.
»Aber wir müssen ganz leise sein«, flüstert sie und drückt die Tür auf.
In dem dahinterliegenden Raum halten sich ungefähr dreißig Leute auf, alle ohne Atemmaske. Die Hälfte von ihnen hockt im Schneidersitz auf dem Boden, mit geradem Rücken und leicht geöffnetem Mund. Die andere Hälfte verbiegt den Körper in die seltsamsten Positionen: Ein Mädchen steht auf dem Kopf und streckt die Zehen in die Luft, ein Junge liegt auf dem Rücken und hat seine
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