Breeds: Harmonys Spiel (German Edition)
Kräfte mit seiner Wärme umfangen wollte, gab sie ihm stattdessen ihre eigene.
Freude explodierte in ihr, als sie die Reinigung in ihrer Seele spürte. Als würden nun die zerfetzten Überreste vergangener Dämonen und Albträume verbrannt, und an ihrer Stelle würde etwas Neues geboren. Sie konnte Lance fühlen. Er lebte. Er war da, umarmte sie, drückte die Lippen auf ihre Stirn, und seine Stimme murmelte beruhigende, tröstende Worte. Vergebende Worte.
Lance würde überleben.
25
Am nächsten Abend schlüpfte Harmony aus dem Warteraum der Intensivstation, vorbei an Lance’ versammelter Familie und den Wache haltenden Breeds, und schlich vorsichtig ins Treppenhaus, das ins Erdgeschoss führte.
Sie hatte ihn gesehen, als sie an Lance’ Fenster stand. Er hatte zu ihr hinaufgeblickt. Sein Gesicht lag im Schatten, aber sie wusste, wenn sie nicht hinunterging, würde er heraufkommen.
Sie wusste genau, wo sie Dane finden würde. Er saß lässig auf einer Bank in dem kleinen Park neben dem Krankenhaus. Eine dünne Zigarre steckte zwischen seinen Zähnen, und sein Gesichtsausdruck wirkte resigniert, als sie sich ihm näherte.
Sie war unbewaffnet, und sie glaubte nicht, dass sie genug Energie aufbringen könnte, um zu kämpfen.
»Wo ist Ryan?« Sie setzte sich neben ihn und atmete den scharfen Geruch der Zigarre ein.
»Telefoniert mit meiner Mutter«, brummte Dane. »Ich sage ihm immer wieder, dass seine Vernarrtheit in sie ihn eines Tages noch umbringen wird. Mein Vater wird dafür sorgen, dass er es bitter bereut, jemals mit ihr geflirtet zu haben.«
Harmony atmete langsam ein. Sie hörte schon seit Jahren, wie Dane Ryan wegen dessen Flirts mit seiner Mutter tadelte.
»Bist du ein Breed, Dane?«
Er nahm die Zigarre aus dem Mund und blies den Rauch durch schmale Lippen, während er die Augen zusammenkniff.
»Wie lange kennst du mich schon, Harm?«, fragte er, anstatt zu antworten, wobei er den Spitznamen benutzte, den er ihr vor so langer Zeit gegeben hatte.
»Lange genug, um zu merken, wenn du einer Frage ausweichst.« Sie seufzte, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und zog die Jacke enger um sich, die eine von Lance’ Cousinen ihr geliehen hatte. »Du hast keine Fangzähne, keinen Geruch. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen.«
»Wenn ich ein Breed wäre, würde ich auch dafür sorgen, dass du nicht darauf kommst.« Sein Lächeln war halb spöttisch, halb betrübt.
»Warum?«
Er seufzte tief. »Manchmal sind die Antworten komplizierter als die Fragen. Es genügt wohl, wenn ich sage, dass ich immer dein Freund war. Und das werde ich auch immer bleiben.«
Seine Stimme war fest und ließ keinen Zweifel daran, dass er die Frage absichtlich nicht beantwortete.
»Warum hast du mir dann geholfen?«, fragte sie. »Du hättest die Unterlagen immer bekommen können. Wahrscheinlich wusstest du sogar, wo sie sind. Wozu diese ganze Show?«
Er beugte sich vor, schnippte die Asche von seiner Zigarre und stützte die Ellbogen auf die Knie, bevor er antwortete.
»Du hast einen Grund gebraucht zu leben. Ich habe dir nur dabei geholfen.« Schließlich zuckte er mit den Schultern. »Da du nun hast, was dir immer gefehlt hat, Harmony, nehme ich die Unterlagen und sorge dafür, dass sie niemals dazu benutzt werden können, jemandem zu schaden.«
Sie legte den Kopf schief und sah ihn schweigend an.
»Aber warum? Und jetzt antworte mir, verdammt.« Sie hatte die Nase voll von diesen Spielchen, von Antworten, die als Fragen formuliert waren, und Männern, die versuchten, über ihr Leben zu bestimmen. »Sag mir einfach, warum.«
»Weil ich dich liebe, Harm.«
Darauf konnte sie nichts erwidern. Sie starrte ihn ungläubig an, als sie seinen ernsten Gesichtsausdruck sah.
»Schau dich an.« Er schüttelte amüsiert den Kopf. »Du hast es niemals geahnt. Aber …«, er zuckte wieder mit den Schultern, »… ich wollte auch nie, dass du es erfährst. Wenn es hätte sein sollen, wäre es geschehen. Du hast einen Grund zu leben gebraucht. Ich konnte dieser Grund nicht sein, also habe ich dir dabei geholfen, für den Grund zu leben, den du damals selbst gewählt hast. So einfach ist es.«
Sie schluckte, wusste nicht, was sie sagen und für diesen Mann fühlen sollte, der in ihrem Leben eine so wichtige Rolle gespielt hatte.
»Woher hast du immer gewusst, wo ich bin?«
Er verzog die Lippen, als sie nicht auf seine Liebeserklärung einging.
»Soll ich es dir zeigen?« Er hob die Hand und glitt damit in ihr Haar, bis
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