Brennaburg
sorbischen Stämme; zwischen ihnen die Heveller, deren Fürst über die meisten Stämme von der mittleren Elbe bis zur Oder herrschte. Von altersher war das Land mit Burgen gespickt, großen und kleinen, denn nach ihrer Einwanderung hatten diese Völker lange miteinander gekämpft, ehe dann jedes seinen Platz fand. Kaiser Karl und auch noch seine Nachfolger hatten ihre Streitigkeiten geschickt ausgenützt und waren Bündnisse mal mit diesen, mal mit jenen eingegangen, ja, sie hatten es sogar verstanden, sich als Richter über ihre inneren Angelegenheiten aufzuspielen.
Doch das war lange her, und für Heinrich ergab sich daher die Frage, wie es heute um die Abwehrkraft der Slawen bestellt war. Um sie zutreffend beurteilen zu können, genügten die Auskünfte kleiner Händler und Bauern selbstverständlich nicht. Hierzu bedurfte es Menschen, die sich nicht nur für Preise interessierten, sondern für alles, was mit ihnen, wenn auch nur mittelbar, zusammenhing, Menschen, die ihm beispielsweise folgendes beantworten konnten: Warum hörte man in letzter Zeit so wenig von den Wilzen? Was war aus ihrer alten Feindschaft zu den Obodriten geworden? Wie eng waren die Verbindungen zwischen den Hevellern und den Böhmen? – Doch an solchen Leuten fehlte es eben.
Trotzdem war er zuversichtlich. Denn so dürftig und widerspruchsvoll die Meldungen waren, in einem Punkt ähnelten sie sich, und der ließ hoffen, daß diese Völker kaum wesentlich stärker geworden sein konnten.
Noch immer durfte man wohl davon ausgehen, daß die Großen selbst eines Stammes untereinander uneins waren, die Bauern wiederum eine geringe Bereitschaft zeigten, sich unterzuordnen. Grob gesprochen neigten diese dazu, ihren Adel eher zu benutzen, als ihm zu dienen; schon früher hörte man ja von abgesetzten, sogar ermordeten Fürsten. Lange Kriege schienen ihnen auch nicht zu liegen. Neben kleinen Gefolgschaften zu Pferd hatte man es stets mit unberittenen Bauernaufgeboten zu tun gehabt, die tapfer ihre Heimat verteidigten, doch in ihrem Eifer nachließen, sowie sie sich von ihr entfernten. Bei den Daleminzern hatte es Heinrich mehr als einmal erlebt, daß die Bauern vor Beginn der Schlacht ihre Anführer zwangen, vom Pferd zu steigen, damit diese im Falle einer Niederlage nicht fliehen konnten. Das waren Sitten, die man hierzulande glücklicherweise längst überwunden hatte.
Freilich gab es Unterschiede, und über die war leider viel zu wenig bekannt. Während die Wilzen und Sorben nun schon seit längerem ohne einen König lebten, duldeten Obodriten und Heveller immerhin jeweils einen Herrscher über sich. Was man von arabischen Sklavenhändlern, die sich, aus Spanien kommend, weit in den Osten vorwagten, in Erfahrung gebracht hatte, besagte dennoch, daß auch diese Stämme kaum imstande waren, eine bedeutende Zahl ausgebildeter Krieger auf die Beine zu stellen. Und eben darin bestand, falls das zutraf, ihre entscheidende Schwäche. Solange der Adel um die Vorherrschaft stritt und die Bauern sich nicht ins Joch fügten, konnten größere Gefolgschaften nicht entstehen. Daher dominierte bei ihnen der unberittene Bauernkrieger, der, wie aufopferungsvoll er sich auch schlug, für schnelle taktische Manöver doch ungeeignet und gepanzerten Reitern – jedenfalls im offenen Feld – allemal unterlegen war.
Nachdem Heinrich die Stärke des künftigen Gegners taxiert hatte, mußte er entscheiden, wen er zuerst angreifen wollte. Am Anfang dieses Krieges – dessen weiteren Verlauf schon jetzt festzulegen, hütete er sich – sollte unbedingt ein gleichermaßen eindrucksvoller wie mit geringen Verlusten erzielter Sieg stehen. Deshalb mußte es vermieden werden, das Heer in einer Vielzahl von Einzelgefechten zu verschleißen: statt eines langen Feldzuges mit ständigen Geplänkeln möglichst eine einzige große Schlacht, in der die Schlagkraft der Panzerreiterei voll zur Wirkung käme. Es empfahl sich dafür aber nur ein Gegner, bei dem einigermaßen geordnete Machtverhältnisse herrschten und der daher imstande war, den Hauptteil seiner Streitkräfte vergleichsweise rasch zu sammeln. Außerdem – zwar waren seine Leute auf Beute aus, und die sollten sie auch bekommen; zuviel davon, das war eine alte Erfahrung, würde jedoch nicht nur die Beweglichkeit des Heeres herabsetzen, sondern auch seine Kampfeslust dämpfen. Tributzahlungen, über die er zunächst allein verfügte und für deren Eintreibung und regelmäßige Entrichtung ein Herrscher
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