Brennaburg
verantwortlich gemacht werden konnte, waren da wesentlich vorteilhafter.
Aus beiden Gründen aber schieden Wilzen und Sorben erst einmal aus, denn hier würde man die Teilstämme nacheinander in die Knie zwingen und mit ihren Oberen jeweils einzeln verhandeln müssen. Die Lusizer und Milzener wiederum waren zu bedeutungslos, als daß er mit ihnen beginnen mochte.
Blieben Obodriten und Heveller. Die Obodriten kannte man besser, denn kein großer Strom trennte sie von den Sachsen. Trotzdem entschied sich Heinrich für die merkwürdig stillen Heveller, und das nicht nur, weil ihn ihre Friedfertigkeit neugierig machte. Zum einen lockte ihn die berühmte Brandenburg, Sitz des Fürsten und ein Ort, von dem auf dem Wasserweg noch andere Gebiete des Slawenlandes erreichbar waren, etwas, das bei späteren Unternehmungen einmal bedeutungsvoll werden konnte. Eine Eroberung dieser als schwer einnehmbar geltenden Festung würde auch auf die Nachbarstämme ihren Eindruck gewiß nicht verfehlen. Zum anderen würde sich der hevellische Herrscher – weil hinter Seen, Flüssen und Sümpfen verschanzt – bestimmt sicher fühlen und auf eine lange Belagerung vielleicht gar nicht vorbereitet sein.
Schließlich mußte man auch einen Fehlschlag in Erwägung ziehen; dann würden die Heveller, falls sie überhaupt zu einem Gegenangriff fähig waren, nicht nur auf den mittlerweile schon recht beachtlichen Gürtel sächsischer Burgen links der Elbe stoßen, sondern zuvor auch noch den Fluß zu überqueren haben.
Von der Brandenburg war bekannt, daß sie auf einer Insel lag. Um sie mit einem lückenlosen Belagerungsring umgeben zu können, mußte das sie schützende Gewässer so vereist sein, daß es das Heer auch trug. Nur – wann würde das sein?
Die Schwierigkeit, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, hatte dem König nicht geringe Sorgen bereitet. Zog er zu früh los, würde es unmöglich sein, die Festung abzuriegeln, und der Feldzug würde sich in die Länge ziehen, mit allen Unwägbarkeiten, die sich hieraus ergaben. Brach man erst auf, wenn Schnee und Frost herrschten, würden die Leute unnütz zu leiden haben. In Magdeburg wochenlang auf günstiges Wetter zu warten, kam ohnehin nicht in Betracht, weil dies die Vorräte aufbrauchen würde. Es blieb daher nichts übrig, als denen zu vertrauen, die einen zeitigen und strengen Winter vorausgesagt hatten.
Gegenwärtig sah es allerdings nicht danach aus. Nachdem es zwei Tage geregnet hatte, schien eine gelbe Herbstsonne, die den Boden so erwärmte, daß es wie im März nach Erde roch. Es war windstill, und an manchen Sträuchern konnte man sogar winzige Knospen sehen. Statt in großen Schwärmen die Nähe von Siedlungen zu suchen, liefen die Krähen eifrig pickend auf den Wiesen umher. Dicke Fliegen hockten auf Holzstößen und Abfallhaufen, und durch den Burghof spazierte wie zum Hohn ein Star, der es offenbar nicht für nötig gehalten hatte, fortzuziehen.
»Der schwarze Bursche ist mir ein richtiger Greuel«, sagte Graf Siegfried und warf einen Stein nach ihm. »Beim nächsten Mal erwische ich ihn bestimmt.«
»Mir wäre es lieber, der Frost würde ihn vorher erledigen«, antwortete Heinrich.
Wie an jedem Vormittag ritten beide vom Kastell hinunter ins Lager. Zwar hätte man die kurze Strecke auch zu Fuß gehen können. Doch das Volksrecht gestand einem Mann nur so lange zu, im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein, wie er noch – bewaffnet, mit einem Schild und ohne Hilfe (lediglich Pferd und Steigbügel durften ihm gehalten werden) – von einer höchstens daumenlangen Erhöhung auf sein Roß kam. Freilich hatte es über den König keine Macht, trotzdem nahm er gern jede Gelegenheit wahr, es in der Öffentlichkeit durch Gesten zu ehren, die ihn nichts kosteten.
»Dort sind sie«, sagte Siegfried, als sie den äußeren Graben passierten. Er wies auf die Westseite des Lagers. Am Vorabend waren die letzten Vasallen mit ihren Dienstleuten eingetroffen, alle aus dem Ostfalengau. Ziemlich spät, doch wie die Dinge nun lagen, noch immer zeitig genug. Die Anführer hatten sich mit diesem und jenem entschuldigt, wie allerdings zu hören war, sollten zwei Männer verletzt sein. Das ließ ahnen, weshalb sie erst jetzt kamen. Die Aufgebote waren angewiesen worden, ›mit gutem Frieden‹ zu ziehen und innerhalb des Reiches nur Wasser und Holz in Anspruch zu nehmen; von vorher genau bezeichneten Gütern durften sie auch Futter verlangen. Da ein großes Heer – selbst wenn sich der
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