Brennaburg
vorbei. Es war klar, daß er unter seinem Stimmwechsel litt und sich widerlich war, wenn er redete.
Bernhard baute sich trotzdem vor ihm auf und sagte nach einer Pause, die spröde Stimme seines Gegenübers nachahmend: »Junger Mann, du mußt lernen, dich zu beherrschen. Du sprichst wie ein Wahnsinniger. Es hört sich an, als ob einer auf einem Reisighaufen herumspringt.«
Otto hielt ihm lachend die Faust unter die Nase. »Schade, daß man mit dir nicht kämpfen kann. Aber sieh dich vor. Sobald ich König bin, lasse ich dich entmannen. Falls du da überhaupt noch lebst.«
Bernhard wollte ihn abermals zurechtweisen, doch in diesem Moment ertönte hinter ihnen Lärm. Er blickte sich um. Vom Waldrand löste sich die mächtige Gestalt Heinrichs, neben ihm die ebenso große, aber schlankere des Grafen. Ihre Knechte trugen einen Ur, dem ein Teil des Schädels herunterhing. Otto ließ einen Jubelschrei vernehmen, dann stürmte er an seinem Vater vorbei auf die Beute los.
Dieser, über und über mit Blut und Gehirn bespritzt, kam geradewegs auf Bernhard zu. »Ich habe ihn mit dem Beil erledigt«, stieß er noch im Gehen hervor. »Hast du es krachen gehört? Ich glaube, ich bin davon taub geworden. Fast tut es mir leid um ihn, er ist bestimmt genauso alt wie ich.« Er riß sich am Bart, eine Gebärde, die verriet, daß er vor Begeisterung außer sich war. »Na, was sagst du, Bischof?« fuhr er aufgeräumt fort. »Ist das etwa kein Vorzeichen?«
Bernhard heftete seine Augen auf die im Zwielicht schimmernden Zähne des Königs und antwortete: »Das ist gut möglich. Es gibt aber auch andere. Darüber möchte ich mit dir reden.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, denn bis eben hatte er keineswegs ›darüber‹ reden wollen. Viel zu unsicher, wie die Begegnung mit dem mißgestalteten Kind zu bewerten sei, lag ihm wenig daran, seinen Zweifel einem Mann zu offenbaren, für den er in einer Frage wie dieser eine Autorität sein und bleiben mußte. Natürlich wußte Bernhard, daß es Vorzeichen gab, und der Gedanke, daß das Zusammentreffen mit dem Krüppel kein Zufall gewesen sein könnte, bedrückte ihn sehr. Andererseits liefen solche Auslegungen immer auf ein gewisses Verfügen über Gott hinaus, nur grobe Seelen übersahen das. Wo war die Grenze zu heidnischer Wahrsagerei? Gewöhnlich hütete sich der Bischof, ihr zu nahe zu kommen, doch die leichtfertige Art, in welcher der König seinen Jagderfolg gedeutet hatte, weckte in ihm den Wunsch, den anderen etwas herabzustimmen. Das bewog ihn jetzt, seine übliche Vorsicht aufzugeben.
»Also rede«, sagte Heinrich seufzend und blickte zerstreut um sich.
»Du hast das Kind gesehen?« erkundigte sich Bernhard und drehte den Kopf so, daß sein Gesicht nicht mehr vom Feuer beschienen wurde.
»Ja.« Heinrich hob das Beil und schlug es spielerisch in einen Baumstumpf. »Warum fragst du?«
»Ich mache mir Sorgen, Herr König. Du nicht auch?«
»Sorgen?« wiederholte Heinrich, in einem Ton, als höre er das Wort zum erstenmal. Seine Miene verfinsterte sich. »Was willst du eigentlich von mir?« fauchte er plötzlich. »Sag endlich, worum es sich handelt, oder laß mich in Frieden.«
Bernhard spürte, daß er falsch angefangen hatte. Er war noch jung, Mitte dreißig erst, und vor bereits fünf Jahren zum Bischof geweiht worden. Von Natur aus eher kleinmütig, hatte dieser rasche Aufstieg seinen Ehrgeiz entfacht, in einem Maße, das ihm zuweilen unheimlich war. Mal zieh er sich verwerflichen Stolz, dann wieder verdächtigte er sich, daß er sich unterschätzte; denn wenn man ihm trotz seiner Jugend dieses Amt übertragen hatte, mußte er offenbar Fähigkeiten besitzen, die ihm bislang verborgen geblieben waren. Obwohl er wußte, daß er die Erhöhung nicht so sehr seiner Gelehrsamkeit, als vielmehr seiner Herkunft verdankte, war der Verdacht inzwischen zur Gewißheit geworden. Dies rief in ihm das Verlangen hervor, sein Wirkungsfeld zu vergrößern.
Ein Ereignis, das über zwanzig Jahre zurücklag, wies seinem Tatendrang die Richtung. Heinrich hatte sich damals mit einer Witwe namens Hatheburg vermählt, einer Frau, die vor seiner Werbung jedoch schon den Schleier genommen hatte. Von Siegmund, der seinerzeit dem Halberstädter Sprengel vorgestanden hatte, war ihm daraufhin die eheliche Gemeinschaft mit ihr untersagt worden. Zwar hatten die beiden nach dem bischöflichen Einspruch noch einige Jahre zusammen gelebt, sogar ein Sohn, Thankmar, war aus ihrer Verbindung
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