Brennaburg
Auge natürlich ein Labsal, lieber Wolfram«, sagte Heinrich nach der Begrüßung. »Dennoch verrate mir, warum ihr das nicht schon zu Hause erledigt habt.«
Wolfram leckte sich die Lippen, verbeugte sich abermals und erklärte dann, daß es kurz vor ihrem Aufbruch einen Brand gegeben hätte, der auch die Waffenkammer nicht verschont habe. Weil er nicht in Verzug geraten wollte, habe er sich entschieden, auf die Ausrüstung seiner Liten zurückzugreifen, die sich jedoch leider in einem jammervollen Zustand befunden hätte. Die Mängel würden selbstverständlich beseitigt; wie zu sehen sei, führe man alles dazu Erforderliche mit.
»Wer von deinen Leuten ist denn so stark, daß er damit umgehen kann?« fragte Heinrich unvermittelt und wies auf einen riesigen Zweihänder, der an einem Wagen lehnte. Er schillerte bunt im Sonnenlicht, hatte also auch im Feuer gelegen.
»Niemand, um die Wahrheit zu sagen«, erwiderte Wolfram. »Dein Vater, der selige Herzog Otto, schenkte ihn vor vielen Jahren meinem Vater für treue Dienste. Leider bin ich nicht so kräftig, daß ich ihn bedienen könnte. Doch ich hoffe, daß er mir Glück bringt. Es ist ja das erste Mal, daß ich mit dir in den Krieg ziehe … Erlaube mir nun, daß ich meine Männer antreten lasse, damit du dich davon überzeugen kannst, daß unsere Ausrüstung deinen Anweisungen entspricht, auch wenn sie, du kennst ja nun den Grund, nicht durchweg aus den besten Stücken besteht.«
»Laß gut sein, mein Freund«, sagte Heinrich. »Ich weiß, daß du ein ehrlicher Mann bist. Außerdem haben der Graf und ich heut noch viel zu tun. Lebe wohl.«
»Was haben wir denn noch zu tun?« erkundigte sich Siegfried, als sie außer Hörweite waren.
»Wir besuchen die Panzerreiter.«
»Schon wieder? Aber wir waren doch erst gestern bei ihnen. Und da hattest du nichts zu beanstanden.«
»Gerade deshalb«, entgegnete der König. »Mich verlangt es jetzt nach Leuten, bei denen ich sicher sein darf, daß es an ihnen nichts zu beanstanden gibt.«
Eine Woche später geschah es, daß Graf Siegfried mitten in der Nacht erwachte. Er hatte am Vorabend getrunken, weswegen es eine Weile dauerte, bis ihm bewußt wurde, daß er bereits geraume Zeit mit offenen Augen lag und entsetzlich fror. Als er feststellte, daß sein Bart und der obere Rand der Decke mit Reif überzogen waren, sprang er auf und eilte in die Kammer des Königs.
Dieser stand mit seinem Sohn am geöffneten Fenster. In Wolfspelze gehüllt, schauten beide auf die im Mondlicht schimmernde Landschaft.
»Das ist schön, daß du kommst«, sagte der junge Otto in seiner herzlichen Art. »Ich wollte dich soeben holen. Ich wachte zähneklappernd auf, und da wußte ich gleich, was passiert ist.«
Siegfried lachte. »Ich wußte es erst, als ich mir ans Kinn faßte und einen Eiszapfen spürte. Dann aber hätte ich am liebsten sofort Alarm geblasen.«
»Freut euch nicht zu früh«, knurrte Heinrich. »So ein Herbstfrost muß noch nichts zu bedeuten haben.«
»Heißt das, du willst noch warten?«
Der König schmunzelte. »Das heißt es keineswegs. Aber ich kann doch meinem Vasallen nicht so ohne weiteres beipflichten. Was immer du sagst, von mir bekommst du erst einmal das Gegenteil zu hören. So bleibst du auch künftig ein bescheidener Mann.«
Die drei lachten.
»Deinen Star, Siegfried, hat übrigens ein Sperber gefressen«, sagte Otto. »Im Hof liegen die Federn.« Bedauernd fügte er hinzu: »Ich hatte dem armen Burschen so gewünscht, daß er den Winter übersteht.«
»Armer Bursche, ach was!« bemerkte sein Vater. »Er hat seinen Irrtum nicht mehr erlebt. Ein beneidenswerter Tod.«
3
W EIT AUSEINANDERGEZOGEN BEWEGTE sich das Heer auf einer Handelsstraße Richtung Osten: Zuerst die Vasallen mit ihren Dienstleuten, hinter ihnen der Troß und alle Unberittenen und am Schluß die Panzerreiter, die ihre Rüstungen auf dem Marsch natürlich abgelegt hatten.
Die Straße befand sich in einem ausgezeichneten Zustand. Durch die Wälder gingen Schneisen, das nachwachsende Gesträuch wurde offenbar kurzgehalten. Die Knüppeldämme, das ließ sich an der unterschiedlichen Färbung des Holzes erkennen, waren bis in die jüngste Zeit ausgebessert worden. Brücken, die einen Wagen trugen, gab es selbst an Bächen, die ein Kind überspringen konnte, und die meisten Hohlwege waren von Schutt und umgestürzten Bäumen geräumt. Daß man ständig auf die Spuren von Menschen traf, war anheimelnd, ebenso der Rauch, der fernab vom Weg
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