Brennende Kälte
Abenteuer.
Plötzlich dachte er an den Tunnel im Windgfällweiher. Wie das eiskalte Wasser angeschossen kam. Ein innerer Impuls zwang ihn, sich umzudrehen. Zwei Schritte zurück. Aber dann beherrschte er sich und ging weiter in die Dunkelheit. Wenn er Singer fand, konnte er vielleicht das Rätsel lösen. Er musste ihn finden.
Endlich wurde die Öffnung größer, und die Höhle weitete sich zu einem breiteren Gang, der deutlich bergan stieg. Das Wasser war jetzt nur noch kniehoch. Der Neoprenanzug staute die Körperwärme. Ihm war heiß.
Dann erreichte er den ersten Siphon. Rechts sah er den Stollen, den die betrogenen Goldgräber in die Wand getrieben hatten. Daneben die Abraumhalde, die die armen Männer hier aufgetürmt hatten, ein brusthoher Hügel aus Steinen und Geröll, der die Jahrhunderte offenbar unberührt überstanden hatte.
Nun musste er den ersten Siphon durchqueren. Zwischen Wasser und Tunneldecke war ein Spalt von nicht mehr alsfünf Zentimetern Höhe. Dengler nahm die Lampe in beide Hände, legte sich auf den Rücken und schwamm. Immer wieder berührte sein Mund den Felsen der Tunneldecke. Einmal riss ein Vorsprung ihm die Unterlippe auf. Dengler schmeckte sein eigenes Blut. Dann zog er den Kopf zu weit zurück, sofort rann ihm Wasser in die Nase. Nur mit Mühe gelang es ihm, die aufkeimende Panik zu unterdrücken.
Es war still in diesem engen Tunnel. Nur das von ihm verursachte Plätschern hörte er.
Dann endlich weitete sich die Grotte. Das Wasser wurde flacher. Er wusste, dass das hier nur ein Zwischenraum war. Dahinter kam der zweite Siphon, weitaus schwerer zu durchqueren als der erste.
Er richtete sich auf – und blickte in die Mündung einer Walther P9.
»Hallo, Blutsbruder«, sagte Dengler.
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Blutsbruder
Im Gesicht von Florian Singer wechselten sich Verwunderung, Zorn, Angst und Irrsinn ab. Es dauerte, bis er begriff.
»Georg?«
Er senkte die Waffe nicht.
Sie sahen sich an.
Es war alles so lange her.
»Was willst du?«
»Du bist mir eine Erklärung schuldig.«
»Du mir auch. Du warst der Typ in Sarahs Bett.«
Dengler hob beide Hände. »Es ist nichts passiert, weshalb du eifersüchtig sein müsstest. Ich wollte dich anlocken. Deine Frau sucht dich. Sie liebt dich. Sie will dich wiederhaben. Und ich habe ihr geholfen, dich zu finden.«
Mit einer kurzen Bewegung der Waffe deutete Singer ins Innere des Stollens.
»Komm aus dem Wasser.«
Dengler stieg vorsichtig aus dem Bach. Rechts und links gab es wieder festen Grund – große Felsbrocken, die wie hingeworfen dalagen. Zwei Seesäcke standen an der Wand. Zwei Paar Stiefel, vier volle Flaschen Rothaus-Bier und unzählige leere Flaschen. Und ein neuer Neoprenanzug.
»Setz dich.«
Mit dem Lauf deutete Singer auf den Boden. Dengler ging in die Hocke.
»Du hast es mit der Schlampe getrieben«, sagte Singer.
Dengler schüttelte den Kopf. »Wir sind immer noch Blutsbrüder.«
In Singers Gesicht spiegelten sich widersprüchliche Empfindungen. Dengler konnte es im Licht der Taschenlampe nur ungenau sehen. Aber sein Gesicht war immer noch schmalund hell, die blonden Haare hingen feucht herunter. Sein Blick war verschlossen, die blauen Augen dunkel und müde. Hätte er Singer unter anderen Umständen getroffen, hätte er ihn für einen attraktiven Mann gehalten.
»Meinetwegen.«
Dann setzte auch er sich auf den Boden.
Es war still, feucht und kalt.
Jedes Wort ein Herantasten.
»Erzähl mir«, sagte Dengler, »erzähl mir von Afghanistan.
Wie damals. In unserem Versteck. In unserer Höhle.«
»Damals? Wir sind keine Kinder mehr, Georg.«
»Versuch es.«
Als hätte er darauf gewartet, begann er zu erzählen – Bericht für Bericht.
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Attacke
Dengler wusste nicht, wie lange er den Erzählungen Singers zugehört hatte. Als dieser geendet hatte, war ihm elend. Aber er wusste, dass er das Thema wechseln, zurückgehen musste an diesen Tag im Schwarzwald, viele Jahre zuvor.
»Etwas muss ich noch wissen, Florian. Etwas, das nur mich betrifft und dich. Erinnerst du dich an den Tag ... den Tag, als ich mit dem Rad allein in die Röhre am Windgfällweiher fuhr? Mit meinem Fahrrad. Und du hast draußen gewartet.«
»Wie sollte ich diesen Tag je vergessen?« Erst jetzt legte er die Walther beiseite.
Sie schwiegen.
Plötzlich hob Singer die Hand. Er lauschte. Dengler hörte nichts.
Singer stand auf und nahm die Waffe in die Hand.
»Komm.«
Dengler verstand nicht, was Singer wollte.
»Da ist jemand.«
Doch
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