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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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dem Boden neben ihrem Stuhl abgesetzt hatte, auf ihren Schoß, öffnete den Reißverschluss mit einer einzigen energischen Bewegung und durchwühlte sie hektisch mit beiden Händen. Dann zog sie ein gerahmtes Foto heraus und schob es zu ihm über den Tisch.
    Es war eine Aufnahme im Freien geschossen. Sarah Singer stand mit ihrem Mann in einem Garten. Beide lehnten sich an einen breiten Holztisch, der hinter ihnen stand, darauf Kaffeegeschirr und eine Vase mit Wiesenblumen. Ihr Mann trug Jeans, schwarzen Gürtel und ein gelbes Polohemd. Kurze Haare. Sein Blick war auf einen Punkt irgendwo rechts außerhalb des Bildrandes gerichtet. Schmales Gesicht. Längliches Gesicht. Leicht abstehende Ohren.
    Eine Erinnerung kroch in Dengler herauf, eine Erinnerung von weit her. Kaum mehr als ein Nebel. Singer – er kramte in seinem Gedächtnis, ging blitzschnell die früheren Kollegen vom BKA durch.
    »Singer«, wiederholte er gedehnt. »War Ihr Mann früher einmal Polizist?«
    »Nein.«
    Florian Singer. Was sagte ihm der Name? Er sah noch einmal auf das Foto. Etwas regte sich, irgendwo in seinem Hinterkopf, aber es wollte nicht ans Tageslicht.
    Florian Singer. »Stabsfeldwebel«, sagte sie.
    »Ich habe zwei Kinder«, sagte sie, »aber nicht von ihm. Aus meiner ersten Ehe.«
    »Darf ich das Foto vorerst behalten?«
    »Sicher.«
    »Ich brauche auch die Handynummer und die E-Mail-Adresse Ihres Mannes.«
    »Natürlich.«
    Dengler notierte sich ihre Angaben. Die Handy-Ortung war möglicherweise der schnellste Weg, den Mann zu fi nden. Außerdem bedeutete dies wenig Aufwand. Das ginge in ein paar Minuten.
    »Und nun noch einmal: Was geschah in dem Supermarkt?« Sie zögerte.
    »Mein Mann ist krank«, sagte sie. »Ich glaube, mein Mann ist sehr krank. Und sehr gefährlich. Er drehte durch. Er drehte einfach durch. In einem normalen Supermarkt.«
    Wieder strich sie eine Strähne aus dem Gesicht. Sie setzte sich aufrecht, und Dengler sah, dass ihre Brüste größer waren, als er anfangs vermutet hatte.
    »Ich werde Ihnen helfen«, sagte er. »Ich werde Ihren Mann finden.«
    Sie sah auf ihre Uhr und stand abrupt auf. »Ich muss los. Ich muss die Kinder aus der Schule abholen. Rufen Sie mich an?«
    Dengler nickte.

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    Kalter August
    Der Sommer des Jahres 2007 war tatsächlich nicht mehr als ein grün angestrichener Winter. Im April hatten hochsommerliche Temperaturen das Land überrascht und eine erregte Diskussion über die nahende Klimakatastrophe ausgelöst. Doch dafür revanchierte sich der Wettergott, indem er für den Rest des Jahres wechselndes Aprilwetter schickte. Nun war es August, und Dengler fror. Er legte eine Junior-Wells-CD auf und wünschte, Olga wäre da.
    If you ever loved a woman
    You have to love her with a thrill.
    Er vermisste sie.
    Er sehnte sich nach ihr, ihrer Wärme und ihrem Lachen, ihren ungezielten Bewegungen, mit denen sie seine Nähe suchte.
    Er stellte sich vor, wie sie ineinander verknäult auf seinem alten Sofa liegen würden, jeder ein Buch lesend.
    Schwer stand er auf, ging in die Küche und öffnete eine Flasche Brunello.
    Junior Wells' Blues folgte ihm.
    Chicago, dachte er. Ich werde mit ihr für ein paar Tage nach Chicago fahren. Ihr diese wunderbare Stadt zeigen. Und die Blues-Clubs.
    Er musste seinen Reisepass verlängern.
    Als er auf dem Sofa saß, griff er wieder nach dem neuen Roman von Heinrich Steinfest. Doch er konnte sich nicht konzentrieren.
    Florian Singer, dachte er plötzlich.
    Singer. Der Name sagte ihm nichts. Aber er war sich sicher,das Gesicht schon einmal gesehen zu haben. In Gedanken ging er seine früheren Kollegen vom BKA durch.
    Florian Singer.
    Etwas war da, aber er konnte sich nicht erinnern.

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    Stuttgart, Marktplatz
    Josef Keller strahlte. Er war zufrieden mit dem heutigen Tag. Fast alle Zucchini verkauft. Die Tomaten aus seinem eigenen Bauerngarten – alle weg. Von den neuen Kartoffeln hatte er noch drei Stiegen, aber die würde er heute nicht mehr los. Er sah auf die Uhr. Halb zwei Uhr mittags. Zeit, Schluss zu machen. Doch noch immer drängten sich die Kunden an den Marktständen vorbei, junge Pärchen, die gemeinsam einkauften, gewiefte schwäbische Hausfrauen, die misstrauisch jede Tomate einzeln prüften, und, viel seltener, einzelne Männer, die heute Abend Gäste erwarteten und ein größeres Essen zubereiten wollten.
    »Wir machen Schluss«, sagte er zu seiner Frau und begann, die Salatkisten aufeinanderzustapeln. Dann lud er sie in seinen alten

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