Brennender Stahl (von Hassel)
Brücke!«
Wieder verstrichen Minuten. Das beinahe fahrtlose U-Boot bewegte sich unruhig in der leichten Dünung. Rudi Schneider kam sich vor wie ein Passagier. Ein Seemann brachte die UZO, die U-Boot-Zieloptik, nach oben und er steckte das schwere druckfeste Gerät auf den Sockel. Nun konnte der Kommandant von hier oben aus schießen und alle Schusswerte würden direkt in den Vorhalterechner gehen. Das beschäftigte ihn für einen Augenblick, dann wartete er wieder. Er konnte wenig tun, außer sich die Augen aus dem Kopf zu starren. Aber wie viel schlimmer musste es für die Männer unten im Boot sein, die gar nichts mitbekamen? Doch mit jeder Minute kamen sich das U-Boot und der Geleitzug auf ihren rechtwinkligen Kursen näher. Abgesehen von der Dunkelheit schien es ein Angriff wie aus dem Lehrbuch zu werden. Doch was danach kam war eine andere Frage.
Für einen Augenblick brach die Wolkendecke ein kleines Stück auf. Es wäre zuviel gewesen, es heller zu nennen, aber für die inzwischen nachtgewohnten Augen der Männer reichte es. Der IIWO zog scharf die Luft ein, als er den ersten großen Schatten sah. Da! Und da! Noch einer, an Steuerbord voraus und dahinter schien noch einer zu sein. Die beiden sich überlappenden Schiffe sahen für einen kurzen Augenblick aus, wie ein einziger gewaltiger missgestalteter Riesendampfer. Schneider bemühte sich, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben, obwohl ihm das Herz aus dem Hals zu schlagen schien: »Dampfer voraus! Zwei weitere an Steuerbord voraus, Herr Kaleun!«
»Danke IIWO, hab sie!«, der Kommandant hob sein Glas und beobachtete die dunklen Gebilde. »Der in der zweiten Kolonne könnte ein Tanker sein.«, die Stimme des Alten klang beiläufig, aber Schneider kannte ihn lange genug um zu wissen, was er plante. Er musste auch nicht lange auf die Bestätigung warten: »Anlauf beginnt, Rudi, Sie übernehmen, ich schieße! Bringen Sie uns ran!«
Schneider schob sich etwas nach vorne während der Kommandant sich hinter die Zieloptik stellte und durch das Visier peilte. Noch waren es etwa eineinhalb Meilen. Der Geleitzug lief im Augenblick mit fünf Knoten vor ihrem Bug durch, aber jeden Augenblick konnte er wieder zacken. Er war schon zu lange auf diesem Kurs gelaufen. Der Leutnant wusste das alles. Es war nicht das erste Mal, dass der Kommandant so einen Angriff fuhr, wenn auch zum ersten Mal auf einen ganzen Konvoi statt auf einen Einzelfahrer. Nur hatte früher immer ... Schneider biss sich auf die Lippen und verdrängte den Gedanken an das alte Boot. Hier und jetzt, das zählte! Er wunderte sich selber, wie ruhig seine Stimme klang: »Anlauf mit großer Fahrt und E-Maschine, Herr Kaleun?«
Der Kommandant schien einen Augenblick zu lauschen. Schneider konnte in der Dunkelheit nicht genau erkennen, wohin von Hassel blickte. Dann bewegte sich die dunkle Gestalt. Die hellere Mütze war der einzige Orientierungspunkt, doch trotzdem glaubt Schneider, der Alte sähe ihn nachdenklich an. Nur so ein Gefühl, wie so vieles in dieser Nacht in der alles so unwirklich real erschien. Aber er hatte Recht. Er sah es, als die Zähne hell aufleuchteten: »Bei dem Lärm, den die machen, nehmen Sie halbe Fahrt und die Diesel! Ran an den Speck!«
»Jawoll, Herr Kaleun!« Schneider wandte sich um zum Sprachrohr: »Zentrale? Diesel Achtung! Halbe Fahrt!«
Es dauerte einen Augenblick, dann erwachten die beiden MAN-Diesel hustend zum Leben. Nach der Stille erschien es ohrenbetäubend, aber das täuschte. Sogar jetzt noch war das Stampfen der Frachtermaschinen deutlich zu hören. Verdammt die standen anderthalb Meilen ab. Bei denen musste der Lärm noch viel stärker sein.
»Diesel laufen halbe Fahrt!«
Er grinste. Komme was wolle, der Anlauf hatte begonnen: »Steuerbord fünnef, neuer Kurs wird Eins-Acht-Null! GHG, auf Bewacher achten, egal ob die sich wie Fischer anhören!«
Hinter sich hörte er den Kommandanten: »Zielansprache: Ziel eins in Null-Null-Fünnef, Abstand Zwotausendfünfhundert, fünf Knoten, Bug links!« Der Alte wartete, bis Schneider die Angaben nach unten durchgegeben hatte, dann fuhr er fort: »Zweites Ziel in Null-Eins-Fünnef, Abstand zwotausendsiebenhundert, Fahrt fünnef, Bug links!«
Aus dem Sprachrohr klang blechern die Bestätigung.
Das Boot beschleunigte immer weiter. Der Bug hob sich etwas während sich das Heck tiefer ins Wasser grub. Schneider spürte den Fahrtwind in seinem Gesicht. Die Schiffe schienen rasend schnell näher zu kommen, dabei
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