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Brennender Stahl (von Hassel)

Brennender Stahl (von Hassel)

Titel: Brennender Stahl (von Hassel) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Brendt
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von dem dumpfen Mahlen der Frachterschrauben noch nicht hören würde, aber zu so einem Monstrum gehörten mit Sicherheit auch Bewacher. Es machte Rückert nicht viel Mühe, sich den Geleitzug vorzustellen. Schiff um Schiff, in scheinbar endlosen Reihen. Selbst wenn die Tommies die Abstände so eng hielten wie möglich, eine halbe Meile würde zwischen den Schiffen liegen, und mindestens drei oder vier Kabellängen zwischen den Kolonnen. Und außen herum würden die Bewacher kreisen. Es würde einige geben, oder? Der Funkmaat konnte sich nicht vorstellen, dass die Engländer eine solche Anzahl Schiffe ohne ausreichenden Geleitschutz losschicken würden. Aber bei so vielen Schiffen würde auch der Geleitzug auf ein weites Gebiet auseinander gezogen sein. Nur wegen der großen Entfernung wirkte es so, als sei es ein Geräusch, dass aus genau einer Richtung kam. Es musste einfach so sein. Auch wenn er es zum ersten Male wirklich hörte. Er wandte sich zu Henke um.  »Los, hol den Alten!« Er zögerte einen Augenblick, dann setzte er entschlossen hinzu: »Geleitzug im Westen!«
     
    »Boot ist auf Sehrohrtiefe und durchgependelt!«, die Stimme des LI klang teilnahmslos und formal, aber dahinter verbarg sich nur die Spannung, die ihn wie jeden anderen Mann an Bord befallen hatte.
    Im Boot herrschte Stille obwohl noch gar nicht Schleichfahrt befohlen war. Jetzt, da das Boot wieder näher der Oberfläche operierte, was es für Rückert schwerer, den Geleitzug nicht aus dem Ohr zu verlieren. Die Entfernung musste immer noch beachtlich sein, aber der Funkmaat konnte sich nicht festlegen. Aber mindestens dreißig Meilen.
    Von Hassel stieg hinauf in den Turm. Das Angriffssehrohr hatte eine stärkere Vergrößerung und die würde er jetzt brauchen. Auch wenn das bedeutete, dass man am Himmel leicht etwas übersehen konnte. Für einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, den IWO das Luftzielrohr ausfahren zu lassen, aber zwei Sehrohre produzierten mehr Gischt und konnten einem Flieger viel leichter auffallen, als eines. Auch wenn das wahrscheinlich eher philosophisch war, denn bei ruhiger See würde sich für einen Flieger die Walform des Bootes dicht unter der Wasseroberfläche sowieso abzeichnen. Also gut! Er lächelte und wandte sich um: »Oberleutnant Hentrich, Sie nehmen das Luftzielsehrohr und halten Ausschau nach Fliegern.«
    »Jawoll, Herr Kaleun!«
    Er ignorierte die erwartungsvollen Gesichter und stieg endgültig empor. Das große Sehrohr schien eine Ewigkeit zu brauchen, bis es ausfuhr. Wieder sah er das vertraute Bild der Schwärze, dann wurde das Wasser grün und endlich durchbrach der Sehrrohrkopf das Wasser. Er nahm einen schnellen Rundblick und zuckte instinktiv zurück, als das zweite Sehrohr überlebensgroß in seinem Blickfeld auftauchte. Es war etwas, an das er sich erst gewöhnen musste. Ein Instinkt, der ihn zusammenzucken ließ, wenn etwas plötzlich zu dicht herankam an das Boot. Er holte tief Luft. »Zeit, sich seinen Sold zu verdienen, Schorsch!« Er sprach leise zu sich selber und grinste bei dem Gedanken an die Männer, die unten versuchen würden, jede seiner gemurmelten Bemerkungen zu verstehen.
    Die See war leer. Nirgendwo konnte er etwas erkennen. Auch von unten kam die Bestätigung: »Himmel ist frei, Herr Kaleun!«
    »An GHG: Steht die Peilung?«
    Von unten erklang die Stimme des Zentralemaaten, der Rückerts Antwort weitergab: »Geleitzug in Null-Neun-Neun!« Als ob ein Grad einen Unterschied machen würde!
    Von Hassel kontrollierte noch einmal die angegebene Richtung. Er zwinkerte. Es konnte eine Wolke sein, die dort fern im Westen stand. Es musste keine sein.
    Für einen Augenblick kamen ihm Zweifel. Die meiste Zeit hatten sie das GHG sauer einkochen können und wie bei den meisten Seeoffizieren war sein Zutrauen zu den letzten Errungenschaften der Technik ohnehin etwas begrenzt. Wusste der Teufel, was Rückert da hörte!
    Von Hassel versuchte sich einen Geleitzug vorzustellen. Prinzipiell kam er aus der beinahe falschen Richtung, denn ein Geleitzug würde ja die irische See anlaufen und dann nach Liverpool gehen, oder nicht? Dann stünde dieser hier etwas zu weit südlich, es sei denn, er wollte nach London. Nach und nach formte sich ein Bild in seinem Kopf. Ein mögliches Bild. Vielleicht, aber nur vielleicht, hatte Rückert tatsächlich etwas. Von Hassel warf einen letzten Blick auf den strahlenden Vormittag dort oben. Aber er würde den Teufel tun und das bei Tageslicht angreifen,

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