Brennendes Land
Leisten ein funktionsfähiger Stuhl.« Sie blickte in die verblüfften Gesichter ihrer Tischnachbarn. »Dreht sich’s nicht um Möbeldesign? Tut mir leid.«
»Keine Entschuldigungen, Doktor«, erwiderte Bambakias. »Das bedaure ich am meisten. Ich hätte bei der Architektur bleiben sollen, denn dort wurde ich gebraucht. Auf dem Gebiet habe ich etwas zuwege gebracht, verstehen Sie? Eine moderne Auffassung von Struktur… damit hätte ich mir ein Denkmal setzen können. Ich hätte wundervolle Dinge machen können… Doktor, diese alte Glaskuppel in Texas, die ist zwanzig Jahre hinter der Entwicklung zurück. Heutzutage könnten wir mit Stroh und etwas Kleingeld eine zehnmal so große Kuppel errichten! Wir könnten Ihr trauriges kleines Museum beleben und zu wahrer Blüte führen – wir könnten das Experimentelle in die Alltagsrealität überführen. Wir könnten die Naturwelt in die Substanz unserer Städte integrieren. Wenn wir unsere Macht einzusetzen wüssten, könnten wir Bisonherden durch die Straßen leiten. Wir könnten friedlich mit Wolfsrudeln zusammenleben wie im Garten Eden. Dazu braucht es nur Vernunft und eine Vision dessen, was wir sind und was wir wollen.«
»Das klingt wundervoll, Senator. Warum tun Sie’s dann nicht?«
»Weil wir allesamt Verbrecher sind! Wir sind von der Wildnis geradewegs zur Dekadenz übergegangen, ohne jemals eine authentische amerikanische Zivilisation hervorgebracht zu haben. Jetzt sind wir geschlagen, und wir schmollen. Die Chinesen haben uns beim Wirtschaftskrieg in den Hintern getreten. Die Europäer befolgen hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung und der Klimakatastrophen eine vernünftige, pragmatische Politik. Wir aber sind eine Nation der Dilettanten, die von einem überlebten System schmarotzen. Wir sind selbstsüchtige Betrüger!«
Oscar ergriff das Wort. »Sie sind kein Krimineller, Alcott. Schauen Sie sich nur mal die Umfragen an. Die Leute stehen hinter Ihnen. Sie haben sie gewonnen. Die vertrauen Ihnen, die mögen Sie.«
Bambakias ließ sich heftig auf den Stuhl niederfallen, der sogleich wachsam zu summen begann. »Dann sagen Sie mir eines«, knurrte er. »Was ist mit Moira?«
»Weshalb interessieren Sie sich für das Thema?« fragte Oscar.
»Moira ist im Gefängnis, Oscar. Sagen Sie mir, was das bedeutet. Wollen Sie uns nicht alles darüber erzählen?«
Oscar kaute mit höflicher Entschlossenheit auf einem Brötchen. Es herrschte Totenstille im Raum. Vor dem Hintergrund der Glasblöcke hatte sich ein Mosaik gebildet, das sich im Tageslicht allmählich veränderte. Ein Labyrinth verschwommener Rauten, die wie haftende Dominosteone umherkrochen und über das Glas flatterten.
Oscar deutete auf ein Netzgerät. »Könnten wir uns bitte mal die Nachrichten ansehen? Schalten Sie den Ton ein.«
Einer von Bambakias Angestellten meldete sich zu Wort. »Die kommen aus Frankreich.«
»Dr. Penninger spricht französisch. Bitte helfen Sie mir, Doktor.«
Greta wandte sich dem Bildschirm zu. »Es geht um Desertion«, sagte sie. »Um einen französischen Flugzeugträger.«
Bambakias stöhnte auf.
»Das französische Außenministerium hat eine Erklärung abgegeben«, meinte Greta zögernd. »Es geht um amerikanische Offiziere… Elektronisch gesteuerte Kampfjets… Zwei amerikanische Air Force-Piloten sind mit ihren Maschinen im Golf von Mexiko auf einem französischen Flugzeugträger gelandet. Sie bitten um politisches Asyl.«
»Ich hab’s gewusst!« verkündete Oscar und warf die Serviette auf den Tisch. »Ich hab gewusst, dass Huey Leute eingeschleust hat. Darauf habe ich bloß gewartet. Das ist eine neue Wendung.«
»Oh, das ist schlimm«, ächzte Bambakias. Er war aschfahl im Gesicht. »Das ist eine bodenlose Erniedrigung. Eine Riesenschande. Das ist das Ende.« Er schluckte geräuschvoll. »Mir wird schlecht.«
»Helfen Sie dem Senator«, kommandierte Oscar und sprang auf. »Und holen Sie Sosik, aber schnell.«
Bambakias verschwand in einer Traube aufgeregter Angestellter. Der Raum leerte sich so rasch wie ein U-Bahnabteil in Tokyo. Greta und Oscar waren auf einmal allein.
Oscar blickte auf den Bildschirm. Einer der amerikanischen Deserteure war soeben vor die Kamera getreten. Der Mann wirkte sehr vertraut und äußerst zynisch und war schwer betrunken. Oscar erkannte ihn wieder; es war der PR-Offizier vom Luftwaffenstützpunkt in Louisiana. Er gab eine vorbereitete Erklärung ab, die mit französischen Untertiteln versehen war. »Welch ein genialer
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