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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Bambakias. »Ach Gott, ich habe alles falsch gemacht. Kümmern Sie sich drum, Oscar! Sie schaffen das schon.«
    Zwei Milchshakes in Flötengläsern mit eisverkrusteten Füßen wurden gebracht. Der Küchenchef servierte sie persönlich auf einem in Kork eingefassten Tablett. Er blickte Oscar an, ganz gerührt vor Dankbarkeit, dann zog er sich hastig wieder zurück.
    Bambakias’ schmaler Adamsapfel hüpfte glucksend auf und ab. »Ich muss Ihnen etwas wirklich Schreckliches sagen«, meinte er und wischte sich den Mund mit dem Hemdsärmel ab. »Die ganze Angelegenheit war von Anfang an mit einem tragischen Fehler behaftet. Der Notstandsausschuss hatte gar nicht vor, den Stützpunkt fallen zu lassen. Die Verwaltungs- und Haushaltssoftware war fehlerhaft. Niemand hat das jemals überprüft, weil alles, was diese Idioten anpacken, in die Kategorie offizieller Ausnahmezustand fällt! Als dann der Fehler offenkundig wurde, nahmen alle an, er sei vorsätzlich herbeigeführt worden – weil es eine so clevere, raffinierte Möglichkeit war, Huey reinzulegen. Sie würden alles dafür geben, ihn reinzulegen, denn Huey ist der einzige amerikanische Politiker, der weiß, was er will, und seine Ziele konsequent verfolgt. Aber als ich nach dem heimlichen Genie forschte, das diese brillante Verschwörung angezettelt hatte, war niemand ausfindig zu machen.«
    »Und diesen Quatsch wollte man Ihnen allen Ernstes weismachen? Das haben Sie doch hoffentlich nicht geglaubt«, sagte Oscar, Bambakias’ leeres Glas unbemerkt gegen sein volles austauschend. »Diese Ausnahmezustandstrottel sind Genies im Ränkeschmieden.«
    »Meinen Sie? Dann verraten Sie mir, wer Sie erschießen wollte!« Bambakias rülpste. »Das gleiche Thema, die gleiche Kontroverse – Sie könnten jetzt tot sein! Aber wer ist daran schuld? Niemand. Man sucht nach einem Verantwortlichen, und alles, was man findet, ist irgendeine miese Software, ein halbes Lichtjahr von allen Befehlsketten entfernt.«
    »Das ist unpolitisch gedacht, Alcott.«
    »Politik funktioniert nicht mehr! Wir können nicht politisch arbeiten, weil das System so komplex geworden ist, dass es sich grundsätzlich unberechenbar verhält. Niemand vertraut mehr dem System, deshalb spielt auch niemand mehr mit offenen Karten. Es gibt sechzehn Parteien und hundert gute Ideen und eine Million summender, piepsender Computer, aber niemand blickt mehr durch, niemand erfüllt mehr rechtzeitig und gemäß den Vorgaben seine Absprachen. Deshalb ist die Politik ad absurdum geführt. Im Land herrscht Chaos. Wir haben die Republik aufgegeben. Wir haben die Demokratie aufgegeben. Ich bin kein Senator! Ich bin ein Räuberbaron, ein Feudalherr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als einen Personenkult aufzubauen.«
    Fünf Angestellte traten geschlossen ein. Sie alle wollten den Mann essen sehen. Plötzlich hallte der Raum wider von Kevlar-Klapptischen, klirrendem Besteck, Tabletts mit Cocktailhappen und Aperitifs.
    »Ich weiß, dass Chaos herrscht«, sagte Oscar mit erhobener Stimme, um den Tumult zu übertönen. »Jedermann weiß, dass das System außer Kontrolle ist. Das ist eine Binsenwahrheit. Die einzige Antwort auf das Chaos ist politische Organisation.«
    »Nein, dafür ist es zu spät. Wir sind mittlerweile so intelligent, dass wir zu smart sind, um zu überleben. Wir sind so gut informiert, dass nichts mehr etwas bedeutet. Wir wissen, was alles kostet, aber wir haben das Gespür für den Wert der Dinge verloren. Wir haben alles unter Beobachtung, aber wir haben kein Schamgefühl mehr.« Die plötzliche Nährstoff zufuhr machte Bambakias schwer zu schaffen. Er war puterrot geworden und atmete schwer. Und offenbar hatte er das Denken eingestellt, denn er spulte mechanisch seine Wahlkampfpropaganda ab.
    Greta tauchte im Eingang auf und machte dem Krankenbett Platz, das von zwei Angestellten hinausgeschoben wurde. Sie trat ein und nahm bescheiden auf einem neu zusammengesetzten Stuhl Platz.
    »Also kann man ebensogut raffen, was das Zeug hält.«
    »Danke, Senator«, sagte Greta und ergriff energisch einen Spieß mit Teriyaki. »Ich mag diese kleinen Bürobrunches.«
    »Sehen Sie, es entwickelt sich alles zu schnell und zu komplex, als dass noch irgendwer damit Schritt halten könnte.«
    »Ich nehme an, das ist auch der Grund, weshalb wir darauf sitzen können!« sagte Greta.
    »Wie bitte?« sagte Oscar.
    »Die Möbel denken schneller als das menschliche Gehirn. Deshalb wird aus einem fragilen Netzwerk von Stäben und

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