Brennendes Land
hässliche Vorfall gar nicht aufgefallen, aber ich habe Videos davon – ich habe sie mir schon hundertmal angeschaut. Die Leute haben in meinem Heimatstaat eine Bank mit den Händen auseinander genommen. Es war der absolute Wahnsinn. Das verrückteste, was ich je gesehen habe.«
Kevin biss ein Stück von seiner Stange ab und schluckte. »Die Videos brauche ich nicht. Ich war dort.«
»Sie waren dort?« Oscar beugte sich ein wenig vor. »Wer hat das angeordnet?«
»Niemand. Niemand gibt jemals Anweisungen. Das war eine staatliche Bank, von dort aus wurden Leute bespitzelt. Das sprach sich herum, ein paar Aktivisten schlossen sich zusammen und überrannten die Bank. Und anschließend gingen sie in Deckung und zerstreuten sich wieder. Irgendwelche ›Anweisungen‹ oder ›Verantwortliche‹ gab es nicht. Man wird nicht einmal die Software finden. Die läuft auf einem anonymen Spezialserver. Der befindet sich so tief im Untergrund, dass er nicht mal mehr Augen braucht.«
»Warum haben Sie das getan, Kevin? Weshalb sind Sie ein solches Risiko eingegangen?«
»Ich hab es wegen der Vertrauensrate gemacht. Und, na ja, weil die Sache stank.« Kevins Augen funkelten. »Weil die Herrschenden Schnüffler sind, weil sie lügen und betrügen und uns ausspionieren. Diese Hurensöhne sind reich, sie haben die Macht. Sie haben alle Trümpfe in der Hand, und trotzdem halten sie es für nötig, uns heimlich zu hintergehen. Sie haben es verdient. Ich werd’s wieder tun, wenn’s meinen Füßen wieder besser geht.«
Oscar konnte sein Zittern kaum mehr beherrschen. Das alles klang überzeugend. Kevin hatte sich soeben geoutet, und die Fakten fügten sich endlich zusammen. Die Lage war jetzt sowohl klarer als auch gefährlicher, als er geahnt hatte.
Oscar wusste nun, dass er recht daran getan hatte, seinem Instinkt zu folgen und den Mann einzustellen. Kevin war die Art politisches Wesen, das in einem Zelt besser aufgehoben war als im Freien. Es musste eine Möglichkeit geben, ihn auf Dauer auf seine Seite zu ziehen. Mit etwas, das ihm wichtig war. »Erzählen Sie mir mehr von Ihren Füßen, Kevin.«
»Ich bin ein Weißer. Weißen passieren heutzutage merkwürdige Sachen.« Kevin lächelte schwach. »Zumal wenn einen vier Cops mit Schlagstöcken dabei erwischen, wie man an Verkehrsampeln herumschraubt… Und jetzt bin ich ein Dropout im doppelten Sinn. Ich musste mich arrangieren, ich konnte nicht länger auf der Straße leben. Deshalb hab ich mir in so ‘nem stinkvornehmen Viertel von Beantown ‘nen Sicherheitsjob besorgt. Das frühere Leben hab ich zum größten Teil hinter mir gelassen. Hey, ich hab sogar mal gewählt! Ich habe für Bambakias gestimmt.«
»Das ist wirklich sehr interessant. Warum haben Sie das getan?«
»Weil er Häuser für uns baut, Mann! Er baut sie mit eigener Hände Arbeit und verlangt nie einen Cent dafür. Und es tut mir auch nicht leid, dass ich ihn gewählt habe, denn wissen Sie was, der Mann ist echt! Ich weiß, dass er durchgeknallt ist, aber das ist auch echt – das ganze Land ist durchgeknallt. Er ist ein reicher Intellektueller und ein Kunstsammler und was sonst noch, aber wenigstens ist er kein solcher Heuchler wie Huey. Huey behauptet, er sei die Zukunft Amerikas, dabei mauschelt er mit den Europäern.«
»Er hat unser Land verkauft, nicht wahr?« Oscar nickte. »Das ist unverzeihlich.«
»Ja. Genau wie der Präsident.«
»Und weiter? Wo liegt das Problem bei Two Feathers?«
»Eigentlich ist der Präsident auf seine Weise gar nicht so übel. Im Westen hat er gute Flüchtlingsarbeit geleistet. Dort hat sich die Lage wirklich gewandelt; seit den großen Bränden und den Umsiedlungen werden ganze Städte und Counties von Nomaden übernommen… Aber das überzeugt mich nicht. Two Feathers ist ein niederländischer Agent.«
Oscar lächelte. »Da kann ich Ihnen nicht folgen. Der Präsident soll ein niederländischer Agent sein?«
»Klar, die Niederländer haben ihn jahrelang unterstützt. Holländische Spione verstehen sich prima auf unzufriedene ethnische Gruppen. Anglos, amerikanische Ureinwohner… Amerika ist ein großes Land. Die alte Teile-und-Herrsche-Geschichte.«
»Hören Sie, wir reden hier nicht von Geronimo. Der Präsident hat mit Bauholz Milliarden gemacht und war Gouverneur von Colorado.«
»Doch, wir reden von Geronimo, Oscar. Amerika ohne Geld ist ein Land der Stämme.«
Sobald die Anzeige gegen Norman-den-Praktikanten zurückgenommen war, veranstaltete Oscars Team
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