Brennendes Land
machen.«
»Oscar, die Prolos sind ›der Rest von uns‹.«
»Ich war niemals der Rest von irgendwas«, meinte Oscar. »Selbst Leute wie ich sind niemals Leute wie ich. Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ja, gut.«
Oscar schenkte ihnen zwei Becher ein. Kevin zog kameradschaftlich eine eckige weiße Stange aus komprimiertem pflanzlichem Protein aus seiner Gesäßtasche hervor. »Auch ein Stück?«
»Ja, gern.« Oscar nagte versonnen. Es schmeckte wie Karottenschaum.
»Wissen Sie was«, meinte Oscar grüblerisch, »ich habe auch jede Menge Vorurteile – wer hat die schließlich nicht? –, aber gegen die Prolos habe ich an sich nichts. Ich bin es bloß leid, in einer Gesellschaft zu leben, die ständig in immer neue Fragmente auseinanderbricht. Ich habe mich immer für staatliche, demokratische, nationale Reformen eingesetzt. Mit dem Ziel, ein System zu etablieren, das jedem einen Platz bietet.«
»Aber die Wirtschaft ist außer Kontrolle. Das Geld braucht einfach keine Menschen mehr. Die meisten von uns sind einfach bloß im Weg.«
»Nun, Geld ist nicht alles, aber ohne lebt sich’s schlecht.«
Kevin zuckte die Achseln. »Bevor das Geld erfunden wurde, haben auch schon Menschen gelebt. Geld ist kein Naturgesetz. Geld ist ein Medium. Man kann ohne Geld leben, wenn man es durch die richtige Art von Datenverarbeitung ersetzt. Die Prolos wissen das. Sie haben zahllose Tricks auf Lager, um über die Runden zu kommen, Straßenblockaden, Erpressung, Schmuggel, Schrottverwertung, öffentliche Darbietungen… Dabei hatten sie nie viel in der Hand. Aber die Prolos haben es fast geschafft. Sie wissen doch, wie Reputationsserver funktionieren, oder?«
»Natürlich weiß ich darüber Bescheid, aber ich weiß auch, dass sie eigentlich nicht funktionieren.«
»Ich habe von Reputationsservern gelebt. Nehmen wir mal an, Sie gehörten zu den Regulatoren – die sind in der Gegend hier stark vertreten. Taucht man mit einer Vertrauensrate von mehr als neunzig Prozent in einem Regulatorenlager auf, dann kümmern sie sich um einen. Man ist höflich, man klaut nicht, sie können einem ihre Kinder anvertrauen, ihre Autos, was auch immer. Man ist nachweislich ein guter Nachbar. Man passt sich ein. Man ist hilfsbereit. Man hintergeht niemals die Gruppe. Das ist eine vernetzte Tauschwirtschaft.«
»Das ist Gangstersozialismus. Das ist ein verrücktes Konzept, das ist unrealistisch. Und es ist instabil. Man kann immer jemanden bestechen, um die eigene Bewertung höher zu treiben, und schon bricht das Geld in Ihr kleines Wolkenkuckucksheim ein. Dann stehen Sie wieder ganz am Anfang.«
»Es kann durchaus funktionieren. Das Problem ist, dass die organisierten Verbrecher der Unionsregierung es auf die Prolos abgesehen haben und einen Netzkrieg gegen ihre Computersysteme führen und sie vorsätzlich zum Absturz bringen. Denen ist es lieber, wenn die Prolos chaotisch sind, denn dann stellen sie keine Gefahr für den Status quo dar. Ein Leben ohne Geld ist einfach unamerikanisch. Aber mittlerweile leben beispielsweise schon die meisten Afrikaner außerhalb der Geldwirtschaft – sie ernähren sich von Blattprotein, das von holländischen Maschinen produziert wird. Das gilt auch für Polynesien. In Europa bezieht man ein garantiertes Jahreseinkommen, dort sitzen Null-Arbeit-Leute in den Parlamenten. In Japan spielen Tauschnetzwerke seit jeher eine große Rolle. Die Russen glauben noch immer, Eigentum sei Diebstahl – diese armen Schweine würden eine Geldwirtschaft niemals zum Laufen kriegen. Wenn das unpraktikabel ist, weshalb kommen die anderen alle damit zurecht? Wenn Green Huey an die Macht kommt, dann gibt es endlich wieder ein geeintes Amerika.«
»Green Huey ist ein Stalin in Taschenformat. Er betreibt Personenkult.«
»Ich gebe zu, er ist ein Hurensohn, aber ein Riesenhurensohn. Seine Regierung betreibt jetzt Regulatorenserver. Und der Luftwaffenstützpunkt wurde auch nicht zufällig eingenommen, Hueys Nomaden sind jetzt wirklich fit – kein Klein-Klein von wegen Straßenblockaden und Leitungen lahmlegen mehr. Jetzt haben sie Ausrüstung der Airforce, womit schon Landesregierungen gestürzt wurden. Diese Gruppe ist im Kommen, Mann. Die schnappen Ihnen das Land unter den Füßen weg.«
»Kevin, hören Sie auf, mir Angst zu machen. In der Beziehung bin ich Ihnen weit voraus. Ich weiß, dass die Prolos eine Bedrohung darstellen. Das weiß ich seit den Unruhen am 1. Mai in Worcester im Jahre ‘42. Vielleicht ist Ihnen dieser
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